Managerin Christine Hohmann-Dennhardt kämpft bei Daimler um Regeltreue Foto: Leif Piechowski

Die Managerin Christine Hohmann-Dennhardt hat den Autobauer gegen Korruption gewappnet. Im März 2013 endet eine Überwachung durch US-Behörden.

Stuttgart - 2010 war Daimler in einen millionenschweren Korruptionsskandal verstrickt, heute ist der Autobauer in Fragen des anständigen Wirtschaftens für andere Vorbild. Die verantwortliche Managerin und Ex-Verfassungsrichterin Hohmann-Dennhardt erklärt, wie das gelungen ist.


Frau Hohmann-Dennhardt, seit mehr als anderthalb Jahren sind Sie im Daimler-Vorstand für Integrität und Recht zuständig. Sehen Sie schon einen Erfolg Ihrer Arbeit?
Wir sind gut vorangekommen, haben unsere Organisation neu strukturiert und unser Compliance-System verbessert. Ich denke, wir sind inzwischen so gut aufgestellt, dass wir die Risiken erkennen und sehr schnell handeln, wenn tatsächlich etwas passiert. Das ist ein Erfolg.

Die ersten Monate haben Sie damit verbracht, in der Belegschaft ein Verständnis dafür zu wecken, was Compliance-Regeln überhaupt bedeuten. Ist das gelungen?
Für viele war schon der sperrige Begriff Compliance schwer zu verstehen, Aufklärung war notwendig. Auch Integrität ist ein hehres Wort, aber die Mitarbeiter müssen verstehen, was das Unternehmen damit meint und wie sich das auf ihren Arbeitsalltag auswirkt. Das haben wir gemeinsam diskutiert und dabei den Eindruck gewonnen, dass sich die Mitarbeiter den Austausch wünschen, um im Umgang mit Compliance-Fragen Sicherheit zu gewinnen.

Wo fangen für Sie Verstöße an – schon beim mitgenommenen Schraubenschlüssel oder liegt die Schwelle höher?
Regelverletzungen verfolgen wir konsequent, aber immer unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit. Für kleinere Verstöße sind die direkten Vorgesetzten zuständig, um schwerere kümmert sich unser Hinweisgebersystem. Natürlich müssen die Art der Ermittlung und die Sanktionen der Schwere des Verstoßes entsprechen. Ein einfaches „Kopf ab“ geht gar nicht. Man muss sich immer anschauen, wie häufig ein Verstoß vorgekommen ist, welcher Schaden daraus entstanden ist und ob der Mitarbeiter diesen wieder gutmachen will.

Jeder Fall ist also anders?
Ja. Nichtsdestotrotz haben wir inzwischen eine konzernweite Richtlinie erlassen, die festlegt, wie welches Delikt sanktioniert wird. Da steht auch drin, dass gewisse Fehler entschuldbar sein müssen, wenn Einsicht besteht. Der Verlust des Arbeitsplatzes kommt nur nach gewichtigen Verstößen im Einzelfall vor. Davor gibt es die Möglichkeit zu Ermahnungen, Abmahnungen, Versetzungen oder einer verstärkten Kontrolle durch den Vorgesetzten.

Führen solche Regeln nicht auch zu Verunsicherung und hemmen teils das eigenständige Handeln von Beschäftigten?
Solche Unsicherheiten können auftreten. Das rührt meist von ungenügender Information, deshalb muss ein Compliance-System für jeden Mitarbeiter nachvollziehbar und in der Formulierung verständlich sein. Bei Daimler haben wir aus diesem Grund aus 1800 Regeln 700 gemacht. Für Klarheit sorgt auch unsere neue Verhaltensrichtlinie, die wir gemeinsam mit dem Betriebsrat verabschiedet haben.

Und ab welcher Anzahl verinnerlichen die Mitarbeiter Regeln?
Da gibt es keine feste Größe. Einige werden immer sagen, es sind zu viele Regeln, andere vermissen welche. Das gesunde Maß ist entscheidend. Aus unseren 700 Regeln haben wir Päckchen für die Mitarbeiter geschnürt, welche Regeln für ihre Arbeit relevant sind. Im Schnitt sind das 40 bis 50, für Führungskräfte ein Dutzend mehr.