Bärbel Weber und Mathias Neundorf haben sich sukzessive in die Organisation der Kammermusikabende eingearbeitet. Foto: Sabine Schwieder

Die Geiger Bärbel Weber und Mathias Neundorf werden die Kammermusikreihe in der Haigstkirche in Stuttgart-Degerloch fortführen. Zum 150. Konzert am 4. Juni gibt es Vivaldi und Chaplin.

Degerloch - Die Sonntagabende, an denen der Freundeskreis Kammermusik in der Haigstkirche zu einem Konzert einlädt, werden gerühmt für ihre sehr persönliche Atmosphäre. Das war viele Jahre lang und ist zum Teil noch heute der Handschrift von Volker Lutz und Ulrich Schülke zu verdanken. Die beiden Organisatoren haben aber auch frühzeitig an die Zukunft gedacht und für Nachfolger gesorgt. In den Geigern Bärbel Weber und Mathias Neundorf haben sie zwei engagierte Musiker gefunden, die sich schon länger in die Organisation eingearbeitet haben. Derzeit bereiten sie noch im Team mit Volker Lutz die Konzerte vor; für die Zukunft haben sie sich Gedanken über eine eigene Handschrift gemacht. Der Übergang am Haigst verläuft reibungslos, so wie es der Atmosphäre der beliebten Konzerte entspricht.

Bärbel Weber, in Nürtingen geboren, begann mit sechs Jahren mit dem Geigenspiel. Zur Studienvorbereitung fuhr sie mit ihrem ersten Auto, einem mit Prilblumen geschmückten Käfer, zum Unterricht nach Stuttgart. Ihr damaliger Lehrer war der neun Jahre ältere Mathias Neundorf. Nach diversen Stationen kam Bärbel Weber mit ihren Töchtern nach Stuttgart, wo sie heute in Degerloch lebt. Neben ihrer Unterrichtstätigkeit und der Organisation von Kinderkonzerten gehört das Musizieren bei Sinfonia 02 zu ihrem musikalischen Alltag. Das seit 30 Jahren bestehende Kammerorchester wird seit einigen Jahren unter dem neuen Namen von Neundorf geleitet.

Schon als Studentin Spaß gehabt, Konzerte zu organisieren

Der gebürtige Stuttgarter stammt aus einer musikalischen Familie und begann als Achtjähriger mit dem Geigenspiel. „Ich wusste schon mit 14, dass ich Berufsmusiker werden möchte.“ Über seine Eltern kam der Kontakt zu Volker Lutz zustande, in dessen Orchester Neundorf lange spielte.

Nach den Konzerten des Freundeskreises, der 1999 gegründet worden ist, saßen die Musiker oft bei Trollinger und einer Vesper zusammen, und da kam auch die Frage der Nachfolge auf. Bärbel Weber erbot sich recht bald, denn sie hatte schon als Studentin Spaß daran, Konzerte zu organisieren. Mathias Neundorf, der seine Karriere mit einem Studenten-Streichquartett begonnen hat und unter anderem beim Melos Quartett in Stuttgart und beim Amadeus Quartett in Köln gelernt hat, ist begeisterter Kammermusiker und eifriger Besucher der Haigstkonzerte. Derzeit gibt er regelmäßig Konzerte mit dem Lotus String Quartett, dem Urban Piano Trio und der Sinfonia 02. Beide Geiger haben vielfältige musikalische Interessen. Bärbel Weber hat sich lange mit der Barockgeige befasst, liebt aber auch die Epoche der Romantiker und findet, die Komponisten des 20. Jahrhunderts dürfe man nicht ausklammern. Mathias Neundorf schwärmt natürlich für die Beethoven-Streichquartette („die Königsdisziplin“), mag aber ebenso die romantische Musik oder den Jazz.

Bei Konzerten des Freundeskreises wird kein Eintritt verlangt

Das Programm für die nächste Spielzeit wurde teils noch von dem Duo Lutz/Schülke vorbereitet, teils trägt es schon die Handschrift der „Neuen“. Es wird eine bunte Mischung zum Übergang geben, doch spätestens in der Saison 2018/19 ist mindestens ein Jazzkonzert vorgesehen. Musiker wie der Pianist Patrick Bebelaar, der mit dem Schlagzeuger Günther Baby Sommer, dem Tubaspieler Herbert Joos und dem Saxofonisten Johannes Enders in der Region auftritt, haben schon zugesagt. Dies ist keine Selbstverständlichkeit, denn bei den Konzerten des Freundeskreises wird kein Eintritt verlangt. Die Konzerte, so ist und bleibt es Tradition, sollen sich über Spenden finanzieren und auch Menschen den Besuch ermöglichen, die wenig Geld für einen Konzertbesuch haben. „Die Musiker kommen aber immer gerne wieder“, sagt Mathias Neundorf. „Das liegt an der guten Akustik und dem sensationellen Publikum in der Haigstkirche.“

Zum Jubiläum Vivaldi und Chaplin

Degerloch - Eine Verletzung führte zum Programm des Jubiläumskonzerts, zu dem der Freundeskreis der Kammermusik in der Haigstkirche am Sonntag, 4. Juni, um 19 Uhr einlädt. Die Geigerin Bärbel Weber saß wegen einer Kalkschulter unbeweglich zu Hause und bekam von Freunden Charlie-Chaplin-Filme zur Ablenkung gebracht. Sie verliebte sich in die schöne Musik des Filmkomikers und schlug ihrem Kollegen Mathias Neundorf vor, dessen Kompositionen in ein bestehendes Vivaldi-Programm zu integrieren. So finden sich der „Frühling“ und „Smile“ nebeneinander.

Antonio Vivaldi schrieb sein berühmtestes Instrumentalkonzert für die Waisenmädchen des Ospedale della Pietà in Venedig, wo er fast 40 Jahre lang lebte und arbeitete. Der Komiker und begnadete Filmregisseur Charlie Chaplin war von Kindheit an ein begeisterter Cellist, obwohl ihm nachgesagt wird, dass er keine Noten lesen konnte. Seine Filmmusiken wurden von anderen arrangiert und gespielt. „Es ist tief empfundene romantische Musik von Zauber und Anmut“, schreibt Bärbel Weber in der Einladung des Freundeskreises.

Die Tochter der ersten Geigerin rezitiert Gedichte

Mit dem 150. Konzert geht die Saison mit dem Titel „Zwingt die Saiten“ des Freundeskreises zu Ende. Beim anschließenden Ständerling in der Kirche werden Impressionen von der Gründung im Jahr 1999 bis heute zu sehen sein. Gestaltet wird das Konzert vom Kammerorchester Sinfonia 02 unter der Leitung von Mathias Neundorf, der gemeinsam mit Bärbel Weber künftig die Geschicke des Freundeskreises leiten wird.

Dazu wird Anna Weber, die 24-jährige Tochter der ersten Geigerin, Gedichte ihres ehemaligen Klassenkameraden Vincent Luis Amadeus Mayr rezitieren. Die Kinderpsychologin hat seit ihrem zwölften Lebensjahr regelmäßig an Theaterproduktionen teilgenommen. Mayr, ein 1993 in Stuttgart geborener Student der freien Kunst, ist stilistisch geprägt von Charles Baudelaire und Charles Bukowski. Er arbeitet unter anderem auch als Comiczeichner.