Bernadetta Sunavska gehört zu den Spitzenorganisten und gibt Konzerte in ganz Europa. Foto: Martin Bernklau

Bernadetta Sunavska spielt in der Versöhnungskirche zu Gunsten des Kinderhospiz-Dienstes.

Stuttgart-Degerloch - Der Lions Club Alte Weinsteige ist einer der jüngsten von ungefähr 15 seiner Art in Stuttgart. Mit einem weihnachtlichen Orgelkonzert in der Degerlocher Versöhnungskirche wollte er seinem Wahlspruch „We serve – wir dienen“ Genüge tun und das Schöne mit dem Guten verbinden. Der Erlös des gut besuchten Auftritts ging an den Kinder- und Jugenddienst im Degerlocher Hospiz St. Martin. Die aus der Slowakei stammende Bernadetta Sunavska spielte dazu am Freitagabend auf ihrer Hausorgel an der Löwenstraße einige Paradestücke.

Bernadetta Sunavska führt seit ein paar Jahren an diesem besonderen Instrument die kleine Tradition der Spitzenorganisten „in residence“ von der Stuttgarter Musikhochschule fort. Neben ihrer Konzerttätigkeit in ganz Europa hat sie Lehraufträge an den Musikhochschulen Stuttgart und Saarbrücken. Die für den Beginn der Heizperiode erstaunlich sauber gestimmte Orgel der Firma Weigle hat drei Manuale plus Pedal und verfügt über drei sogenannte Werke, auf die sich die 30 Register verteilen. Nicht übermäßig viele, aber sehr kontrastreich und farbig disponiert. Um den Spieltisch herum gibt es das Rückpositiv, auf der Empore gegenüber, neben Altar und Kanzel sind in der Ecke ein Schwellwerk mit beweglichen Jalousien und vorn das Hauptwerk postiert. Das ermöglicht ganz spezielle klangliche Effekte.

Sunavska hob das gefällig Verspielte hervor

Mit dem bedeutendsten der Bach-Söhne, dem „Berliner“ oder „Hamburger“ Bach Carl Philipp Emanuel, begann die Organistin und fügte der dreisätzigen Sonata in A-Dur später noch das Schwesterstück in B-Dur bei. In beiden zeigte sie den Hofmusicus von Friedrich dem Großen – übrigens auch Lehrer des jungen schwäbischen Herzogs Carl Eugen – als einen Tonsetzer, dessen Stil der Empfindsamkeit der Klassik den Weg bereitete. Bernadetta Sunavska hob das gefällig Verspielte, auch zierreich Virtuose hervor, aber auch die ins Neue weisenden harmonischen Kniffe.

Ihre Experimentierfreude zeigte die Organistin auch am Leipziger Orgelchoral des Vaters Johann Sebastian Bach, der den Titel „Schmücke dich, o liebe Seele“ trägt. In dem tänzerisch anmutigen und doch andächtigen dreistimmigen Satz ist die Choralmelodie manchmal so versteckt verwoben, dass ihre Hervorhebung harmonische Gewagtheiten offenbart. Schön, wie sich Bernadetta Sunavska auch die in der Barockmusik ausdrücklich erwünschten Freiheiten für passende Verzierungen nahm.

Der 1886 geborene Marcel Dupré bestellte lange Jahre die berühmteste französische Organisten-Stelle am Rieseninstrument der Pariser Kirche Saint-Sulpice. Über ein schlichtes Weihnachtslied hat er 1922 zehn Variationen geschrieben, die zwischen atemberaubend fingerfertiger Geläufigkeit und zarter meditativer Ruhe auch sämtliche Möglichkeiten der Registrierung und Farbgebung eröffnen. Da ist viel Raum für Eigenes, und da kann aus der harmlosen Melodie mal ein aufregender Tanz der Vampire werden.

Das Publikum gab langen Beifall

Aber nicht nur hier nutzte Bernadetta Sunavska ihr Instrument für spezielle Raum- und Klangeffekte aus, sondern vor allem auch bei Modest Mussorgskijs gespenstisch programmatischem Orchesterstück „Eine Nacht auf dem kahlen Berge“, das sie selber für die Orgel transkribiert hat. Der heilige Trunkenbold der russischen Musik hat da schreckensreiche Düsternis in grellen Farben halluziniert, aber auch die leise schleichende, sacht anklopfende Angst. Da waren Gnome und Kobolde, Elfen und Furien im Einsatz. Manchmal fegte die Virtuosin in rasenden Läufen durch die Skalen, zuweilen tupfte sie geheimnisvolle kleine Kleckse ins Klangbild, bevor sich dann in Fanfaren und Lerchengesang der erlösende Morgen und die in Dur strahlende Sonne ankündigten.

Nicht nur für dieses großartige Tongemälde gab das Publikum der fantastischen Musikerin langen Beifall. Danach blieb man noch vor eisiger, aber traumhaft weihnachtlicher Schneekulisse eine Weile vor der Kirche beisammen, wo der Wagen des Kickers-Caterings die Lions-Gäste mit Glühwein und kleinen adventlichen Leckereien wärmte.