Afrika – dargestellt auf einem Safari-Poster auf einer Tourismus-Messe. Foto: dpa

Verpasst die Wirtschaft enorme Wachstumschancen in Afrika? Bislang investiert dort vor allem China. Mit dem Tag der Industrialisierung Afrikas wollen die UN alle dazu ermutigen – doch hiesige Mittelständler tun sich schwer mit dem Kontinent. Warum? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

. - Warum ist Afrika für Investoren interessant?
Afrikas Wirtschaft wächst rasch: Südlich der Sahara lag das Wachstum 2014 nach Angaben der Weltbank bei 4,6 Prozent, in Nordafrika und dem Nahen Osten bei 2,2 Prozent. Meist wird zwischen diesen beiden Regionen unterschieden, weil die wirtschaftliche Entwicklung in Nordafrika schon weiter ist. Afrika ist ein riesiger Markt: Ein Viertel der Weltbevölkerung wird laut der Vereinten Nationen 2050 in Afrika leben. Viele Länder haben enormen Nachholbedarf in der Infrastruktur. Allein im Energiesektor seien in den nächsten 20 Jahren rund 80 Milliarden Euro Investitionen nötig, sagt Stefan Liebing, Vorsitzender des Afrikavereins der deutschen Wirtschaft. „Etwa acht Milliarden davon könnte man mit Sicherheit nach Deutschland holen.“
Wie stark sind deutsche Firmen in Afrika tätig?
Die deutsche Wirtschaft hält sich in Afrika bisher eher zurück. 2014 machte der Anteil Afrikas an allen Exporten Deutschlands rund zwei Prozent aus. Ein großer Investor in Afrika und Handelspartner ist dagegen China. Die Chinesen tauschen fast viermal so viel Waren mit Afrika aus wie Deutschland. Zum Beispiel baute China in der Demokratischen Republik Kongo dank eines Mega-Deals Tausende Kilometer Straßen und Bahnlinien, Krankenhäuser und zwei Flughäfen – und lässt sich dafür mit Hunderttausenden Tonnen Kobalt und Millionen Tonnen Kupfer bezahlen. „Wir laufen Gefahr, gegenüber China und anderen asiatischen Ländern ins Hintertreffen zu geraten“, warnt Dietrich Birk, Geschäftsführer des Verbands deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) im Land. „Den schlafenden Kontinent Afrika, der zunehmend aufwacht, dürfen wir nicht links liegen lassen. Er birgt mittelfristig großes Potenzial, das heute schrittweise erschlossen werden muss.“ Seit 2005 ist der Wert der deutschen Maschinenexporte nach Afrika südlich der Sahara um 65 Prozent gestiegen.
 
Was machen Firmen aus dem Südwesten ?
In Afrika bislang insgesamt nicht allzu viel: Das Land exportiert prozentual gesehen weniger nach Afrika als im Bundesdurchschnitt – 2014 rund 1,7 Prozent der Ausfuhren. Einige Firmen sind jedoch in Afrika erfolgreich: Zum Beispiel macht das Beratungsbüro Fichtner aus Stuttgart rund ein Viertel seines Umsatzes dort – vorwiegend mit der Planung von Energieprojekten. Bosch hat auf dem Kontinent 2013 rund 340 Millionen Euro Umsatz erzielt – weniger als ein Prozent des Gesamtumsatzes. Der Heidenheimer Maschinenbauer Voith ist an der Ausrüstung von mehreren Wasserkraftanlagen in Afrika beteiligt. Der gesamte Maschinenbau im Land exportierte 2014 Maschinen im Wert von 700 Millionen nach Afrika, mehr als ein Drittel davon in einziges Land: das weit industrialisierte Südafrika.
Wie sind die Chancen für Mittelständler?
Mittelständische Firmen bilden das Rückgrat der Wirtschaft im Südwesten. Für sie seien Aktivitäten in Afrika aber besonders schwierig, sagt Tassilo Zywietz, Außenhandelschef der IHK Region Stuttgart. „Aus Erfahrung wissen wir, dass Mittelständler in der Regel zwischen 12 und 16 Auslandsmärkte erfolgreich bearbeiten können“, sagt Zywietz. Viele seien aber schon in China, den USA und der EU aktiv. Auch Stefan Liebing vom Afrikaverein der deutschen Wirtschaft räumt ein: „Mittelständler wollen oft nur ihre Produkte verkaufen. Aber in Afrika braucht man komplette Lösungspakete – schlüsselfertige Anlagen, inklusive Planung und Finanzierung.“
Was muss sich ändern?
Um die Chancen von Mittelständlern in Afrika zu erhöhen, fordert Liebing vom Afrikaverein der deutschen Wirtschaft mehr Rückendeckung vom Staat: „Natürlich ist es für einen Mittelständler schwierig, drei oder vier Millionen in der Planung auszugeben, wenn er noch nicht weiß, ob es wirklich klappt“, sagt Liebing. Risiken in der Vorlaufzeit von Projekten sollten mit staatlichen Geldern abgesichert werden. So wäre das Kapital effizienter eingesetzt als in der Entwicklungszusammenarbeit, ist Liebing überzeugt. Außerdem sollten die Exportabsicherungen des Staats, sogenannte Hermesdeckungen, ausgeweitet werden. Mit ihnen schützt der Staat deutsche Unternehmen vor Verlusten durch ausbleibende Zahlungen ihrer Geschäftspartner. Bei öffentlichen Auftraggebern und langfristigen Projekten im Afrika südlich der Sahara ist dies aber bislang eingeschränkt.
Welche Zukunftschancen birgt Afrika?
Der Vorstand des deutschen Afrikavereins, Stefan Liebing, sieht große Potenziale und drängt zum Aufbruch: „Wir müssen jetzt schnell sein und das nachholen, was andere vorgelegt haben“, sagt Liebing. Besonders weil das Wirtschaftswachstum in anderen Regionen wie China oder Lateinamerika nachlässt, sieht Liebing Afrika als wichtige Alternative. Zudem zeigten viele Indikatoren während der letzten Jahre in die richtige Richtung: Zum Beispiel ist die Rate der Sterblichkeit von Kindern unter fünf Jahren zwischen 1990 und 2014 um mehr als die Hälfte gesunken. Zugleich stieg die Internetnutzung zwischen 2004 und 2013 um ein Fünftel. Tassilo Zywietz, Außenwirtschaftschef der IHK Region Stuttgart, ist dennoch skeptisch. Man könne 54 afrikanische Länder zwar nicht über einen Kamm scheren, „aber in einem Großteil der Staaten ist die Rechtssicherheit mangelhaft“. Er glaubt nicht, dass der Anteil der Exporte aus dem Land nach Afrika prozentual gesehen zukünftig steigen wird.
Wie blicken Unternehmen im Südwesten in die Zukunft?
Manche Unternehmen und Branchen im Südwesten sind sehr zuversichtlich: Der Heidenheimer Maschinenbauer Voith etwa betont das Potenzial von Wasserkraft in Afrika – insgesamt werde es auf rund 435 Gigawatt geschätzt, die technisch machbar seien. Momentan würden aber erst 26 Gigawatt tatsächlich genutzt. Für Bosch ist „Afrika aufgrund einer steigenden Bevölkerungszahl und wachsenden Mittelschicht sowie eines niedrigen Altersdurchschnitts und des Rohstoffreichtums ein wichtiger Zukunftsmarkt“, sagte eine Sprecherin. Bosch plane deshalb, seine Präsenz auf dem Kontinent weiter auszubauen: Im Juni wurde in Nigeria die neunte Niederlassung auf dem Kontinent eröffnet, 2016 soll Tunesien folgen. VDMA-Landesgeschäftsführer Birk appelliert an die Maschinenbauer im Land, neugieriger und offener zu sein. In absehbarer Zukunft seien Markterkundungsreisen nach Afrika südlich der Sahara wichtig und wünschenswert.