Mit dem schlüsselfertigen Bau von Solaranlagen, hier auf dem Dach eines Bauernhofs, lässt sich viel Geld machen. Das Handwerk will hier den Energieversorgern mehr Konkurrenz machen. Foto: dpa

Dem Handwerk geht es sehr gut. Die Konkurrenz durch Energiekonzerne wird aber immer größer.

Stuttgart - Dem Handwerk im Südwesten geht es so gut wie lange nicht mehr. Mit 80 Milliarden Euro lagen die Umsätze der Betriebe 2011 auf Rekordniveau. Dennoch: Die lahmende Energiewende und harte Konkurrenz von Konzernen macht der Branche zu schaffen.

Die Konjunktur brummt:

„Hinter uns liegt ein exzellentes Jahr“, sagte Joachim Möhrle, der Präsident des Baden-Württembergischen Handwerkstags (BWHT). Die Entwicklung sei mehr als positiv gewesen.

Erstmals seit Jahren haben die Betriebe nach BWHT-Daten wieder mehr neue Mitarbeiter eingestellt. Mit 729.000 Beschäftigten arbeiteten zum Jahresende rund 4000 Menschen mehr in den Firmen. Die Umsätze kletterten um 7,6 Prozent auf 80,3 Milliarden Euro. Auch die Zahl der Betriebe erhöhte sich leicht – auf rund 132 670 Unternehmen. „Für 2012 rechnen wir mit einem ruhigeren Wachstum“, sagte Möhrle – 2,5 Prozent, also ein Drittel des Vorjahreswerts. Auf die Beschäftigtenzahlen könne sich dies „leicht positiv“ auswirken, sagte der gebürtige Freudenstädter.

Zu wenige Fachkräfte:

Das Handwerk steckt in einer Ausbildungsklemme: Einerseits „lässt die Qualifikation der Lehranfänger zu wünschen übrig“, wie Möhrle sagt. Andererseits geht die Zahl der Schulabgänger zurück. Als Folge blieben 2011 im Handwerk wieder Tausende Lehrstellen unbesetzt. 2012 soll es ähnlich aussehen. Besonders zu schaffen macht den Handwerkern die Konkurrenz durch die Industrie, die im Normalfall höhere Gehälter zahlen kann. Aber auch politische Weichenstellungen tragen nach Ansicht des BWHT zum Problem bei. Das Ziel der Landesregierung, 50 Prozent der Schulabgänger an die Hochschulen zu bringen, rücke die duale Ausbildung ins Abseits und nabele damit das Handwerk, das nicht zwingend auf Uni-Absolventen angewiesen ist, vom Nachwuchs ab. Direkte Abwerbekampagnen nach dem Motto: Direkt von der Schulbank an die Uni, bezeichnete Möhrle als kontraproduktiv fürs Handwerk.

Stückwerk Energiewende:

Die Energiewende ist einer der größten Umsatztreiber des Handwerks. Die Firmen profitieren mächtig. Daher ist der Branche daran gelegen, dass das Projekt voranschreitet und nicht durch Streit oder Parteiengezänk ausgebremst wird. Das Problem: genau das ist derzeit der Fall. Man stehe „fassungslos“ vor dem aktuellen „Bund-Länder-Gerangel“, sagte der BWHT-Chef. Manche Bereiche – etwa die energetische Sanierung von Gebäuden – seien „völlig aus dem Ruder gelaufen“.

Seit rund einem Jahr hängt eine stärkere öffentliche Förderung für derartige Projekte im Vermittlungsausschuss des Bundestags fest. Wenn Anfang August keine Einigung erzielt werde, sei „das Projekt tot“. Auch bei einem anderen Thema sieht der BWHT gerade seine Felle davonschwimmen – beim geplanten Ausbau der Übertragungsnetze. Wenn die Kompetenzen zum Netzausbau weiter bei den Ländern bleiben und nicht vom Bund zentralisiert würden, glaube er nicht, dass sich das Projekt realisieren ließe, sagte der Handwerker-Präsident. Aktuell sind in Deutschland 3800 Kilometer neue Leitungen geplant. Weil sie mehrere Landesgrenzen queren, kommen die Vorhaben aufgrund unterschiedlicher Ländergesetzgebungen nicht voran.

Bei einem dritten Thema will sich das Handwerk allerdings nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Zusammen mit dem Stadtwerkeverband VKU unterzeichnete Möhrle am Donnerstag eine Rahmenvereinbarung zur Zusammenarbeit im Energiebereich. Konkret wollen Stadtwerke und Handwerk enger als bisher kooperieren. So sollen etwa Energiedienstleistungen – etwa der Bau von Solaranlagen auf Dächern oder das sogenannte Energiecontracting, unter dem Fachleute das Ausmerzen von Energielecks bei Firmen verstehen – in Zukunft vermehrt gemeinsam angeboten werden. Außerdem sollen Ausschreibungen im Energiebereich „mit einer regionalen Komponente“ versehen werden, wie VKU-Vorstandsmitglied Hermann-Josef Pelgrim, sagte. Ziel ist es, sich dadurch einen größeren Teil am Kuchen beim Verkauf von Energiedienstleistungen zu sichern. In den letzten Jahren sind Energieversorger wie Eon, RWE, EnBW oder Badenova mit eigenen Angeboten – etwa zur Installation ganzer Solaranlagen – an den Start gegangen. Das hat das Handwerk viele Aufträge gekostet.

Hader mit der Politik:

Gleich in mehreren Punkten geht der BWHT auf Konfrontationskurs zur Landes- und Bundespolitik. Der von Grün-Rot diskutierten City-Maut erteilen die Handwerker eine „klare Absage“, wie BWHT-Hauptgeschäftsführer Oskar Vogel klarstellte. Auch das geplante Tariftreuegesetz, das sicherstellen soll, dass öffentliche Aufträge nur an Firmen gehen, die ihre Mitarbeiter nach Tarif bezahlen, lehnt man ab. „Theoretisch könnten wir uns damit anfreunden“, sagte Vogel. Die jetzt geplante Ausgestaltung benachteilige die hiesigen Handwerker aber gegenüber Berufskollegen aus anderen Bundesländern.