Beim Nürtinger Werkzeugmaschinenhersteller Heller laufen die Geschäfte in Europa am besten. Foto: Heller

Für das kommende Jahr rechnen die Unternehmen im Südwesen mit einem schwächeren Wachstum. Von einer Rezession redet aber niemand. Noch sind die Auftragsbücher voll.

Stuttgart - Die schlechtesten Aussichten für das kommende Jahr hat bisher das Münchner Ifo-Institut präsentiert: Dieses rechnet 2019 nur noch mit einem Wirtschaftswachstum von 1,1 Prozent. So schlimm indes muss es nicht kommen – und von einer Rezessionsgefahr spricht schon gar niemand. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin rechnet damit, dass die Konjunktur zum Jahresende nach der Delle im dritten Quartal wieder Tritt fasst. Die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) hat ihre Prognose für das kommende Jahr jedoch gesenkt: Noch Mitte November hatte sie für den Südwesten ein Wachstum von 2,1 Prozent vorhergesagt. Jetzt rechnet Chefvolkswirt Uwe Burkert nur noch mit einem Plus von 1,8 Prozent. „Das dritte Quartal 2018 war schlecht und auch das vierte Quartal war nicht wirklich dynamisch“, sagt Burkert zur Begründung. „Wir starten also mit wenig Schwung in das neue Jahr.“ Die Prognose für Deutschland hat die LBBW von 1,8 Prozent auf 1,4 Prozent reduziert. Bei schwäbischen Mittelständlern dominiert immer noch gebremster Optimismus, gepaart mit Verunsicherung wegen politischer Unwägbarkeiten.

Aufträge bis zum Oktober

„Unser Auftragsbestand reicht bis in den Oktober des kommenden Jahres“, sagt Klaus Winkler, Vorstandschef beim Werkzeugmaschinenhersteller Gebr. Heller. Die Geschäfte in Europa gehen bei dem Nürtinger Unternehmen am besten, aber auch China macht noch Freude. Doch wie so mancher seiner Kollegen meint auch Winkler „wir erwarten, dass es 2019 ruhiger wird.“ Dies aber „immer noch auf einem hohen Niveau“, fügt er hinzu. Wegen der Umbrüche in der Autoindustrie sei jetzt schon zu spüren, dass Investitionen genauer geprüft würden, etwa wenn es um Maschinen für die Produktion von Antrieben gehe. Nach einer Studie der Unternehmensberatungsgesellschaft PwC ist der deutsche Automarkt im zu Ende gehenden Jahr erstmals auch 2014 wieder geschrumpft. Auch 2019 dürften die Autobauer danach auf dem deutschen Markt weiter im Rückwärtsgang fahren. Doch dass es zu einer Situation wie bei der Krise 2008/2009 kommt, als die Unternehmen von wegbrechenden Aufträgen kalt erwischt wurden, glaubt Winkler nicht.

Der Schwung lässt nach

Der nach eigenen Angaben weltweit größte Werkzeugmaschinenhersteller Trumpf in Ditzingen sieht nach einem Rekordjahr Anzeichen für einen Rückgang des Wachstums – „nicht nur in den Prognosen der Wirtschaftsforscher“, wie das Unternehmen mitteilt. „Die Kunden sind angesichts der vielen geopolitischen Spannungen vorsichtiger geworden und stellen Investitionen zurück“, erklärte ein Sprecher. „Die Spannungen zwischen China und den USA führen zu sinkenden Stückzahlen bei unseren Maschinenverkäufen in China“. Verunsichert werde die Wirtschaft zudem durch die unklare Entwicklung beim Brexit. Der Maschinenbauer Hermle in Gosheim bei Rottweil rechnet wegen der hohen Auftragsbestände „frühestens im Lauf des Jahres 2019 mit Umsatzrückgängen wegen einer eventuell schwächeren Marktentwicklung“, wie Vorstand Günther Beck erklärt.

Die Maschinenbauer im Südwesten haben nach den Worten des Geschäftsführers des Branchenverbandes VDMA, Dietrich Birk, die Rückgänge vom September inzwischen überwunden und im Oktober wieder mehr Aufträge in ihre Bücher schreiben können. Allerdings habe der Schwung bei den Bestellungen in der zweiten Jahreshälfte gegenüber den ersten sechs Monaten etwas nachgelassen. „Der Handelsstreit der USA mit China, die Gefahr eines harten Brexit, die Sanktionen gegen Russland und die Verschuldung Italiens sind nur einige der Unsicherheiten für das weitere Wachstum der Branche“, meint Birk. „Wir rechnen für 2019 mit einem positiven, aber schwächeren Konjunkturverlauf“. Um zwei Prozent, so die Schätzung des Verbandes, könnte der Umsatz im kommenden Jahr noch zunehmen. Etwas kritischer sieht man das etwa beim Heidenheimer Maschinenbauer Voith. Erhielte das weltweite Wachstum einen zu kräftigen Dämpfer, „hätte das mit hoher Wahrscheinlichkeit“ negative Auswirkungen auf die Geschäfte, aber auch auf die Ertragslage bei Voith“, erklärte eine Unternehmenssprecherin. Solche Risiken seien aber für das noch bis Ende September 2019 gehende Geschäftsjahr 2018/2019 bereits berücksichtigt. Das Unternehmen, das unter anderem Papiermaschinen herstellt, rechnet in der laufenden Periode „mit einem spürbaren Zuwachs beim Auftragseingang und einer leichten Steigerung des Umsatzes,“ so die Sprecherin.

Autozulieferer sehen viele Risiken

„Unsere Zahlen zeigen aktuell noch keine konkreten Auswirkungen“ , sagt Heinrich Baumann, geschäftsführender Gesellschafter beim Esslinger Autozulieferer Eberspächer. „Aber den immer stärker schwankenden Markt beobachten wir genau. Insbesondere in China deutet sich ein schwächeres Wachstum an,“ fügt er hinzu. Auch der Autozulieferer Freudenberg rechnet mit einem geringeren Wachstum. „Für 2019 plant das Unternehmen aufgrund der wirtschaftliche und geopolitischen Lage vorsichtig“, sagte eine Freudenberg-Sprecherin. „Wir stellen uns darauf ein, dass es 2019 nicht mehr so gut läuft wie das in den letzten Jahren der Fall war“, meint Wolf-Henning Scheider, Vorstandsvorsitzender des Getriebeherstellers ZF in Friedrichshafen. Schon seit einigen Wochen spüre das Unternehmen einen Marktrückgang in manchen Regionen der Welt. „Die hohe Zahl an Risikofaktoren sowie Handelshemmnisse beeinflussen die Konjunktur aus Sicht von Mahle maßgeblich“, sagt Jörg Stratmann, Vorsitzender der Geschäftsführung des Stuttgarter Autozulieferers, der sich mit Kolben einen Namen gemacht hat. Dies führe auch zu sinkenden Absatzzahlen „insbesondere auf den Pkw-Märkten in Europa und China“. Zusammen mit niedrigeren Absatzzahlen für Diesel-Pkw ergebe sich „für einige unserer Standorte eine herausfordernde Situation“, heißt es bei Mahle. Positiv sei in dieser Gemengelage allerdings die globale Aufstellung des Unternehmens.

Doch nicht nur Maschinenbauer und Autozulieferer berichten von weniger schwunghaften Geschäften. „In den letzten beiden Monaten spüren wir einen leichten Rückgang der weltweiten Nachfrage“, sagt Hartmut Jenner, der Vorstandsvorsitzende beim Reinigungsgerätehersteller Alfred Kärcher in Winnenden. „Dies könnte man tatsächlich als erstes Anzeichen einer beginnenden konjunkturellen Eintrübung interpretieren“ - auf die das Unternehmen aber „gut vorbereitet“ wäre.

Für Stihl ist das Wetter wichtig

Von möglichen Eintrübungen ganz anderer Art hängen die Geschäfte beim Motorsägen- und Gartengerätehersteller Andreas Stihl in Waiblingen ab: „Generell wirkt sich bei uns das Wetter am stärksten auf die Geschäftszahlen aus “, so die Erfahrung des Vorstandsvorsitzenden Bertram Kandziora. Im laufenden Jahr liege Stihl trotz Wetter- und Währungskapriolen beim Umsatz etwa auf dem Niveau des Vorjahres. Auf 2019 blickt das Unternehmen „mit einem gewissen Optimismus“, auch weil Akkugeräte wichtige Wachstumstreiber sind. „Dennoch gibt es zur Zeit eine Vielzahl politischer Unwägbarkeiten, die uns Sorgen machen“, sagt Kandziora – der Brexit ebenso wie die Handelspolitik der USA.

Erste Ergebnisse einer noch laufenden Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart spiegeln ziemlich genau die generelle Mischung aus verhaltenem Optimismus und Unsicherheit wider. „Die Erwartungen schwächen sich ab, die Unternehmen bleiben aber zuversichtlich“, sagt der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Bernd Engelhardt. „Es gibt keinerlei Anzeichen für eine Trendwende oder gar eine Rezession“. Bestätigt sieht sich Engelhardt bei dieser Diagnose durch zwei wichtige Kriterien: „Die Unternehmen weiten ihre Investitionen deutlich aus und melden auch immer noch einen wachsenden Personalbedarf.“ Stefan Roßkopf, geschäftsführender Gesellschafter des Anlagenbauers Teamtechnik in Freiberg bei Ludwigsburg sieht bisher keine nachlassende Dynamik bei seinen Geschäften: „Besonders auf dem chinesischen Markt gibt es eine unverändert hohe Nachfrage im Automotivebereich“, meint der geschäftsführende Gesellschafter des Unternehmens, das Prüfstände in das Reich der Mitte liefert. „Meine größte Sorge ist, dass jetzt alle beginnen, ein Problem herbeizureden.“

Südwesthandwerk ohne Sorgen

Von Sorgen wegen der weiteren Entwicklung wird das Handwerk im Lande nicht geplagt: Im zu Ende gehenden Jahr stieg der Umsatz dank eines Wachstums um 4,5 Prozent erstmals über 100-Milliarden-Euro-Marke. Und für 2019 rechnet Rainer Reichhold, der Präsident des Baden-Württembergischen Handwerkstags, mit einem Wachstum „von mindestens 3,5 Prozent“.