Hans H. Pfeiffer, Christian Hermes, Roswitha Blind und Martin Körner (v. li.). Foto: Jan Reich

Bundesweit bekannte Politiker wie Peer Steinbrück haben beim Neujahrsempfang der SPD-Gemeinderatsfraktion schon die Bundespolitik zerpflückt und Kurswechsel angemahnt.

Stuttgart - Bundesweit bekannte Politiker wie Peer Steinbrück haben beim Neujahrsempfang der SPD-Gemeinderatsfraktion schon die Bundespolitik zerpflückt und Kurswechsel angemahnt. Auch Uwe Hück, SPD-Mitglied sowie Betriebsratsvorsitzender und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Porsche AG, hat dort schon gesprochen. Warum die SPD-Fraktion dieses Mal „ausgerechnet den katholischen Stadtdekan eingeladen hat“, das fragte sich Monsignore Christian Hermes in seiner Ansprache zum neuen Jahr sogar selbst. Den Pfarrer hole man gewöhnlich, wenn die Lage ganz ernst ist. Also: „Braucht die SPD geistlichen Beistand?“, fragte Hermes.

Die Frage ist insofern berechtigt, als sich die Partei seit der Kommunalwahl im Jahr 2009 mit zehn der 60 Sitze im Gemeinderat begnügen muss. Und doch habe die Fraktion, so die amtierende Vorsitzende Roswitha Blind, vieles erreicht wie beispielsweise die Aufstockung der Mittel für Kitas und Schulsanierungen, Tempo-30-Zonen vor Schulen und Geld für den Erhalt der Kulturlandschaften Stuttgarts. Es gibt also noch keinen Grund für die Letzte Ölung. „Das Jahr ist noch jung, die Vorsätze sind noch frisch. Alle starten wir mit den höchsten Zielen und werden sicher noch lebendige Zeiten erleben“, machte Hermes Mut.

Diesen Zuspruch kann die SPD-Fraktion gut gebrauchen: Sie wird nach der Kommunalwahl am 25. Mai viele neue Gesichter haben: Fünf erfahrene Stadträte verzichteten auf eine weitere Nominierung.

Was auf die neu aufgestellte Fraktion zukommt, machte beim Neujahrsempfang im Rathaus der Spitzenkandidat für die Gemeinderatsfraktion, Martin Körner, in seinem Grußwort deutlich: „Wir müssen über Soziales, aber auch verstärkt über das Thema Demokratie reden“, sagte Körner in Anbetracht der „erschreckend niedrigen“ Wahlbeteiligung im Jahr 2009. Diese lag in 30 Wahlbezirken unter 30 Prozent, „vor allem dort, wo die Leute kein Geld haben“. Daraus ergebe sich, dass „bestimmte Bevölkerungsgruppen im Gemeinderat nicht repräsentiert sind“ und das Vertrauen in politische Institutionen schwinde. Körner: „Wir müssen das Thema auf die Agenda nehmen.“

Ein großes Anliegen ist es der SPD vor allem, die mehr als 1000 Flüchtlinge, die nach Stuttgart kommen werden, gut aufzunehmen: „Bitte werben Sie für einen offenen Umgang mit den Flüchtlingen“, bat Roswitha Blind, „denn Flucht, und sei es auch nur vor bitterer Armut, ist kein Verbrechen.“

Stadtdekan Hermes bot die Mitarbeit der Katholischen Kirche bei der Aufnahme, der Unterbringung und der Besserung der Lebenssituation von Flüchtlingen an. Mit der Armutsprostitution im Leonhardsviertel ging er hart ins Gericht: „Was dort läuft, ist eine Schande für unsere Stadt.“ Dort herrsche „eine Unterwelt von Elendsprostitution, Gewalt, Ausbeutung, Kriminalität“. Wo die Menschenwürde verletzt werde, habe man die Pflicht einzugreifen. „Nicht die Prostituierten sind das Problem, das Problem sind die Freier und Zuhälter, Vermieter und Hausbesitzer“, warb er für ein Vorgehen „auf kluge Weise“, wofür er bei den zahlreichen Gästen Applaus erntete.

Ganz konnte sich der Spitzenkandidat Martin Körner den Wahlkampf dann doch nicht verkneifen. Dass die CDU im Gegensatz zur SPD auf 100 000 Euro Schulden sitze, zeige, „wer besser mit Geld umgehen kann“. Auch der parteiinterne Streit um sexuelle Vielfalt stehe einer Großstadtpartei nicht gut zu Gesicht. Körner: „Ich hoffe, dass sich Stefan Kaufmann gegen die konservativen Kräfte durchsetzen kann.“