VfB-Fans, Cannstatter Kurve: Tradition, Emotion, Identifikation Foto: Baumann

„Der Profifußball ist ein großes Geschäft“, kommentiert StN-Autor Gunter Barner, „und dem VfB Stuttgart bleibt nichts anderes übrig, als mit dem Wölfen zu heulen.

Stuttgart - Kommt die Aktiengesellschaft oder bleibt es beim Verein herkömmlicher Bauart? Ganz gleich wie sich die Mitglieder des VfB Stuttgart an diesem Abend entscheiden. Es ist wohl an der Zeit, Sportvorstand Jan Schindelmeiser und seiner Crew gutes Gelingen zu wünschen. So oder so wird der Wiederaufsteiger auf dem Transfermarkt ein paar gute Ideen brauchen, um im turbokapitalistischen Gedränge der Fußball-Bundesliga nicht in der Abteilung der besonders Hilfsbedürftigen zu landen. Ob es dem Sportsfreund passt oder nicht: Die Tradition des Vereins für Bewegungsspiele 1893 und freundliche Gesichter taugen nur noch bedingt als Lockmittel, wenn die Blutsauger der Branche im Auftrag ihrer Klientel um Gehälter und Provisionen feilschen. Es kommt immer mehr Geld mit ins Spiel.

Noch mehr Geld für die Spieler

Dass die Bundesliga ein großes Geschäft ist und nicht die Heilsarmee, belegt der Blick in die Bücher: In der Saison 2015/16 meldeten die 18 Erstligisten mal wieder einen Umsatzrekord. Stolze 3,24 Milliarden Euro flossen über die Konten. Davon wanderten 1,059 Milliarden Euro in die Taschen von Spielern und Trainern. Umgerechnet auf etwa 530 Profis in der Beletage des deutschen Fußballs macht dies rund 1,9 Millionen Euro pro Jahr und Berufskicker. Und in der kommenden Saison wird das Taschengeld noch einmal erhöht, wenn die Clubs aus der ersten und zweiten Liga mehr als eine Milliarde Euro an Tantiemen aus dem neuen Fernsehvertrag beziehen. Die Summen übersteigen die Vorstellungskräfte der meisten Fans, das Geld ist aber nicht geklaut. Die Stadien sind voll, die Sponsoren interessiert, das Fernsehen zahlt demnächst wohl auch noch für eine Livesendung vom Rasenmähen in der Münchner Allianz-Arena.

Auch die Daimler-Millionen machen VfB nicht reich

Weil sich der VfB zuletzt nicht durch übermäßigen sportlichen Erfolg auszeichnete und außer eng getaktetem Personalwechsel wenig zu bieten hatte, gesteht ihm der Liga-Quotient fürs erste nur die kleineren Stücke des Einnahmekuchens zu. Aus dem Fernsehvertrag sind das rund 33 Millionen Euro. Das ist kein Nasenwasser, relativiert sich aber angesichts der geplanten Ausgaben für den Lizenzspielerbereich: rund 50 Millionen Euro. Man braucht also nicht den Abakus, um die Rechnung von Präsident Wolfgang Dietrich nachzuvollziehen. Das Geld vom großen Nachbarn Daimler ist herzlich willkommen. Doch selbst wenn die Mitglieder die Ausgliederung des Profifußballs in eine Aktiengesellschaft beschließen und 41,5 Millionen Euro für 11,75 Prozent der AG-Anteile fließen, bricht auf dem Cannstatter Wasen nicht der Reichtum aus. Ähnliche Summen investieren der FC Bayern oder Borussia Dortmund inzwischen für einen brauchbaren Abwehrspieler.

Skeptiker befürchten den Crash

Skeptiker erinnern an die Finanzkrise 2008 und pinseln den Crash an die Wand. Wirtschaftsexperten zucken dagegen mit den Achseln, sprechen von den Gesetzen des Marktes und zeigen auf Vereine, die ihre Geschäftsmodelle und Einnahmemöglichkeiten erweitern. Der 1. FC Köln tourte dieser Tage durch China, um sich auf dem asiatischen Markt sexy zu machen. Der FC Bayern unterhält Dependancen und New York und Singapur, der VfL Wolfsburg und Schalke 04 engagieren sich im Wachstumsmarkt des E-Sports.

Nüchtern betrachtet, bleibt dem VfB nichts anderes übrig, als mit dem Wölfen zu heulen. Lieber früher als später. Wie er das macht, entscheidet er dagegen selbst. Eine AG zu gründen und Investoren ins Boot zu holen ist das eine, Vereinskultur und die Nähe zu den Fans weiter zu pflegen, das andere. Der wahre Fußball lebt von Emotion, Identifikation und Tradition. Die Ware Fußball dagegen darf nicht mehr sein, als der Mittel zum Zweck.

gunter.barner@stuttgarter-nachrichten.de