Finden die Flusspferde der Wilhelma einen Platz am Neckarufer? Foto: Max Kovalenko

Es braucht Ideen, um zu zeigen, dass die Stadt einen Fluss hat

Stuttgart - Flusspferde an den Neckar! Geht’s noch? Oder um den schwäbischen Titel des neuen Buchs unseres 333-Kolumnisten Uwe Bogen zu zitieren: „Goht’s no?“ Das Ganze klingt doch schwer nach Sommerloch, nach Tagträumerei, nach der Idee eines Fantasten. Und das ist es in gewisser Weise ja auch: eine fantastische Idee, entwickelt vom Freundeskreis der Wilhelma, die mehr und mehr Formen annimmt.

Die Förderer des Stuttgarter Zoos wollen damit nicht die (Fluss-)Pferde scheu machen, nur die Stadt dazu bewegen, sich für den unbestrittenen Lieblingsplatz Nummer eins – die Wilhelma – zu engagieren, auch wenn dieser ein Landesbetrieb ist. Sie nehmen mit ihrem Vorschlag für ein öffentlich zugängliches Flusspferd-Gehege direkt am Cannstatter Flussufer bewusst auch den Neckar in den Blick, der zu einem Lieblingsplatz werden könnte, wenn man ihn denn entdeckt.

Hippos am (nicht im) Fluss ist eine von vielen interessanten Überlegungen, die derzeit kursieren. Freunde des Neckars, meist Einzelpersonen, machen sich verstärkt Gedanken, wie man dem Fluss und der Stadt etwas Gutes tun kann. Die Ideen sprudeln wie die Mineralwasser-Brunnen: Sie reichen von Neckarterrassen vor dem Wilhelma-Theater über die Gestaltung naturnaher Ufer und der Einrichtung eines Neckar-Cafés bei Wangen bis zu einem Park auf der alten Cannstatter Eisenbahnbrücke. Apropos Mineralwasser: Ein Vorschlag lautet, eine Schiffsschleuse bei der König-Karls-Brücke in ein Mineralwasserbad umzuwandeln. Klar, muss man das alles durchrechnen und prüfen. Grundsätzlich sollte jedoch gelten: Nicht meckern, sondern neckarn.

Denn es braucht Ideen, um daran zu erinnern, dass diese Stadt einen Fluss hat. In Tübingen oder in Rottenburg ist das anders. Dort muss man den Neckar nicht auf dem Stadtplan suchen; er ist unübersehbar. Hier jedoch schleicht er in geduckter Haltung an der Stadt vorbei. „Er wird behandelt wie ein nasser Hund.“ – „Er ist der Huckleberry Finn der Flüsse. Keiner kümmert sich um ihn“, hat Flaneur und Neckar-Versteher Joe Bauer einmal aufgeschrieben. Das gilt bis heute.

Man muss ihn sich einfach mal ansehen. Zum Beispiel von Bord eines Ausflugsschiffs des Neckar Käpt’n – wie vergangene Woche 200 Leser in der neuen Reihe „Neckarfantasien“ des Cannstatt-Teams unserer Zeitung. Dann verändert sich die Perspektive und man bekommt einen anderen Blick – vom Fluss auf die Stadt. Man sieht auf die Steilhänge der Wengerter bei Mühlhausen, auf den Württemberg und auf den Stuttgarter Hafen und man stellt fest: Der Neckar ist wild, schön – und für die Menschen schwer zugänglich.

„Herzstück“ und „Triumph“ des Landes, nannte Sebastian Blau, in seinem berühmten Neckar-Gedicht den charakteristischen „Stromer“. Dann sollte man ihn auch herzlich behandeln. Höchste Zeit, dass Stuttgart den Neckar in sich entdeckt – auch wenn er am Rande liegt.

j.sellner@stn.zgs.de