Gemeinsamer Unterricht – künftig nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel Foto: dpa

Die Sonderschulpflicht wird abgeschafft – ein Zeichen dafür, dass die Landesregierung die Rechte von Menschen mit Handicaps ernst nimmt.

Stuttgart - Inklusion! Zuerst sollte man die Wortwahl korrigieren. Denn alles rund um dieses Thema wird in Fachbegriffen ausgedrückt. Man könnte meinen, in der deutschen Sprache fänden sich keine Wörter, um die Sache treffend zu beschreiben. Dabei muss man sich nur von der technischen Ausdrucksweise lösen und die Menschen in den Blick nehmen.

Denn um Menschen geht es – und um deren Zusammenleben. Für viele Menschen mit Behinderungen steckt darin eine neue Erfahrung. Sie kennen vorwiegend das Gefühl des Getrenntlebens. Nichtbehinderte lebten ihrerseits ganz gut damit. Selbst in der Behindertenpolitik setzte man lange Zeit auf das Konzept der Sonderwelten, also auf Trennung.

Das hat sich durch die UN-Behindertenrechtskonvention fundamental geändert. Seither ist die gleichberechtigte Beteiligung Behinderter am gesellschaftlichen Leben ein verbindlicher Maßstab von Zivilisation. Dem trägt die Landesregierung jetzt mit der Abschaffung der Sonderschulpflicht und der Einführung der Wahlfreiheit für Eltern Rechnung. Das ist löblich. Bedauerlich ist, dass keine Klarheit über die Finanzierung herrscht. Den Unmut der Kommunen darüber kann man verstehen. Sie werden jedoch nicht umhinkommen, ihren Beitrag zu leisten.

Niemand sollte es bestreiten: Die Sache, die man Inklusion nennt, bereitet Schwierigkeiten. Deshalb hilft es auch nichts, Probleme kleinzureden oder wegzudiskutieren, die sich aus dem gemeinsamen Schulbesuch von Kindern mit und ohne Einschränkung ergeben können. Man muss sich ihnen offen stellen. Umgekehrt sollte man sich allerdings auch nichts vormachen: Die Schwierigkeiten menschlichen Zusammenlebens ergeben sich nicht nur aus Handicaps.

j.sellner@stn.zgs.de