Schauen nicht immer in eine Richtung: Verteidigungsminister der EU-Mitgliedsstaaten in Tallinn, mit Ministerin Ursula von der Leyen in der Mitte. Foto: AP

Die EU-Mitgliedsländer haben sich auf eine ehrgeizige militärische Zusammenarbeit geeinigt. Doch ein Blick in die einzelnen Staaten zeigt: Die Angst vor einer Europäischen Armee ist völlig unberechtigt, meint Christoph Reisinger.

Stuttgart - An ihren Taten sollt ihr sie erkennen. Dieses Bibelwort gilt immer, wenn die EU oder einige ihrer Mitglieder beschließen, in Sicherheitspolitik und Militär enger zusammenzuarbeiten. Das festzuhalten heißt keineswegs, die Zusage von 23 Staaten kleinzureden, hinfort insbesondere in Sachen Rüstungspolitik und militärischer Reaktionsfähigkeit zusammenzurücken.

Grundsätzlich ist das ein kluges Vorhaben. Und jedes der 20 vereinbarten Ziele klingt vernünftig. Von der auskömmlichen Finanzierung der Verteidigung bis zum Verzicht auf teure Sperenzchen in der Rüstung, die nationalen Egoismen geschuldet sind. Umgesetzt wie beschlossen, würde dieses Abkommen Europa stärken. Nur, bisher sind selbst kleinste Fortschritte in der gemeinsamen Sicherheitspolitik über die Maßen schwergefallen. Was die EU will, hat sie schon vor 19 Jahren präzisiert. Vor zehn Jahren die Ziele konkretisiert. Und zuletzt volle vier Jahre Anlauf genommen auf die Zusagen der 23 Unterzeichner.

Europäische Armee nicht in Sichtweite

Auch deshalb gilt es, die Kirche im Dorf zu lassen. Wer darüber schwadroniert, jetzt sei der Weg zur europäischen Armee eingeschlagen, weckt falsche Erwartungen, weil dieses Ziel unerreichbar ist und weil es auch politisch das falsche wäre, da es die ungleich stärkere Nato schon gibt.

Unerreichbar ist die europäische Armee, weil der Wille, in fremde Händel militärisch einzugreifen, in den EU-Staaten extrem unterschiedlich ausgeprägt ist, in Deutschland besonders schwach. So ist es kein Zufall, dass die immerhin seit 2005 existierenden EU-Kampfgruppen nie eingesetzt wurden. Anders als Deutschland weisen viele EU-Staaten ihrem Militär Polizeiaufgaben zu. Wer all das auf einen Nenner zwingen will, kann sich nur verheben.

christoph.reisinger@stuttgarter-nachrichten.de