Die Bildungspolitik gibt in Deutschland immer wieder Anlass zu Streit Foto: dpa

Bei der Reform der Bildungspolitik bleibt die Große Koalition auf halber Strecke stehen, kommentiert Norbert Wallet. Die Kleinstaaterei in diesem Bereich schadet Deutschland.

Stuttgart - Jeder ist zu loben, der die Kraft aufbringt, eigene Fehler zu korrigieren – selbst dann, wenn die Einsicht spät kommt, zum Beispiel acht Jahre später. 2006, zu Zeiten der ersten Großen Koalition unter Angela Merkel, hatte vor allem der damalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) im Zuge der Föderalismusreform das Kooperationsverbot von Bund und Ländern in der Schul- und Bildungspolitik durchgedrückt.

Seitdem hat sich längst schmerzhaft erwiesen, welch blühender Unsinn es ist, dass die staatlichen Ebenen in einer zentralen Frage deutscher Zukunftsfähigkeit nicht zusammenarbeiten sollen. Die Politik hat das längst erkannt und ist seither viele juristisch bedenkliche Schleich- und Umwege gegangen, um in der Sache vernünftige Entscheidungen treffen zu können. Nun aber soll reiner Tisch gemacht werden. 

Wenigstens in den Bereichen Wissenschaft und Forschung sollen künftig Aufgaben von überregionaler Bedeutung dauerhaft vom Bund mit gefördert werden können. Das ist gut so und bedeutet eine große Hilfe für viele Universitäten. So weit ist nichts zu kritisieren. 

Völlig unverständlich aber ist, dass die Koalitionäre auf halber Strecke der Mut verlassen hat. Was nämlich künftig in der Hochschulpolitik endlich möglich sein soll, bliebe beim Thema Schule weiter verboten. Das ist schwer zu fassen, denn es bedarf keines allzu großen politischen Scharfsinns, um zu erkennen, dass hier viele Bundesländer notwendige Aufgaben nicht mehr alleine lösen können. Gerade hat eine Bertelsmann-Studie aufgezeigt, dass der Ausbau von Ganztagsschulen zu schleppend vorankommt. Das ist keine Nebensache, denn Chancengleichheit, individuelle Förderung gerade von Kindern aus prekären Milieus, Teilhabe und Inklusion brauchen funktionierende Ganztagsangebote. Heute aber besucht nur ein knappes Drittel der Schüler eine Ganztagseinrichtung. 70 Prozent der Eltern wünschen sich jedoch einen Ganztagsplatz. Genau hier aber soll alles beim Alten bleiben, und deshalb springt die Koalition zu kurz. 

Übrigens ist auch dort, wo sich etwas ändern soll, nicht alles optimal gelöst. Warum alle (!) 16 Bundesländer zustimmen sollen, wenn der Bund in eine Förderung einsteigt, ist nicht politisch, sondern allenfalls psychologisch zu erklären: Misstrauen regiert zwischen den ehrpusseligen Länderchefs, die genau darauf achten wollen, dass kein Konkurrent zu viel vom Kuchen erhält. Tatsächlich ist die Zustimmungsklausel nichts anderes als eine gigantische Fortschrittsbremse. 

Nach der Ankündigung des Vorhabens durch die Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) beginnt nun das übliche Tauziehen. Eine Grundgesetzänderung braucht nicht nur im Bundestag, sondern auch in der Länderkammer eine Zweidrittelmehrheit. Das heißt im Klartext: Die Länder mit grünen Regierungsbeteiligungen müssen dem Projekt zustimmen und dürfen sich nicht einfach der Stimme enthalten. Das ist noch keineswegs gesichert, denn die Grünen pochen vehement auf einen Wegfall des Kooperationsverbots auch für den Schulsektor. Das ist zwar verständlich, darf aber nicht zu einer Blockadehaltung führen. Man wird doch wohl nicht im Ernst etwas an sich Gutes mit dem Argument aufhalten können, dass es auch noch besser ginge. Wenn das die Maxime der Politik wäre, ließe sich nämlich überhaupt kein Gesetz verabschieden. 

Tatsächlich sind die Länder wohl auch deshalb zögerlich, weil sie den Trend ihres schleichenden Bedeutungsverlustes nicht selbst beschleunigen wollen. Nur ist es überdeutlich, dass die Kleinstaaterei im Bildungswesen überaus schädlich ist.

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