Der Wirtschaftsminister achtet auf pointierte Aussagen – zum Leidwesen der Wirtschaft. Foto: dpa

Die vorschnelle Absage an das Freihandelsabkommen TTIP offenbart die Unsicherheit des Wirtschaftsministers, meint Wirtschaftskorrespondent Roland Pichler.

Berlin - Sigmar Gabriels größtes Problem ist, dass ihm ein klarer Kurs fehlt. Natürlich muss ein Wirtschaftsminister, der zugleich Vorsitzender der SPD ist, auf Befindlichkeiten seiner Partei achten. Ein bisschen Führungsstärke muss aber schon sein. Stattdessen wirkt der SPD-Vorsitzende unsicherer denn je. Ob Vermögensteuer oder Griechenlandpolitik – zu oft und zu schnell hat Gabriel seine Meinung geändert. Es ist in Ordnung, wenn der Wirtschaftsminister Zweifel an den zähen Verhandlungen zu TTIP äußert. Tatsächlich haben nicht nur in Europa die Vorbehalte zugenommen, sondern auch in den Vereinigten Staaten. Dass die Aussichten auf einen Abschluss der Verhandlungen angesichts des US-Präsidentenwahlkampfs gesunken sind, kann niemand bestreiten.

Dennoch wird von einem Wirtschaftsminister mehr verlangt, als Wasserstandsmeldungen abzugeben. Dass Gabriel schon seit Monaten das Signal des Scheiterns aussendet, ist fatal. Das ist Wind auf den Mühlen der Kritiker. Gabriels Aufgabe wäre es, für ein sinnvolles Freihandelsabkommen zu streiten. Deutschland ist als eine der großen Exportnationen der Hauptprofiteur. Das gilt insbesondere für die Beschäftigten in den Exportbetrieben.

Aus parteitaktischen Gründen schwingt sich Gabriel jedoch zum Oberkritiker auf. Dabei hat Gabriel TTIP anfangs im Brustton der Überzeugung verteidigt. Doch der SPD-Chef hat einen schweren Stand: Um in der SPD wenigstens das EU-Freihandelsabkommen Ceta mit Kanada zu retten, will er TTIP aufgeben. Diese Aufteilung überzeugt nicht. Mit Ceta ist ein gutes Abkommen erreicht worden. Ziel muss es sein, nach diesem Vorbild TTIP auszugestalten. Als Wirtschaftsminister ist Gabriel gut gestartet. Doch inzwischen haben die Unternehmen das Vertrauen in ihn verloren. Das zeigen die enttäuschten Stellungnahmen aus den Wirtschaftsverbänden, die durch Gabriels TTIP-Kurs aufgeschreckt sind. Wenn Europa die Chance verpasst, Standards im internationalen Welthandel zu setzen, werden das andere Weltregionen übernehmen. Es geht um den Wohlstand von morgen.