In Stuttgart werden Neuankömmlinge jetzt in einem Welcome-Center begrüßt. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Solange Menschen die Begegnung mit anderen Kulturen im eigenen Land nicht als persönliche Bereicherung empfinden können, bleibt Willkommenskultur ein Modewort, das wenig aussagt und nichts enthält.

Stuttgart - Deutschland entdeckt die Willkommenskultur. Auch Stuttgart, wo es seit gestern – und in dieser Form einmalig – ein sogenanntes Welcome Center gibt, eine Anlaufstelle für alle, die neu hier sind und nach Orientierung suchen. Begrüßenswert ist dieses Center zweifellos. Und doch ist es nur ein Büro – nicht, dass jemand auf den Gedanken kommt, es nehme den Einheimischen das Begrüßen ab. So wenig wie es die Ämter und Behörden können, von denen einige überhaupt erst lernen müssen, dass Menschen keine Nummern sind, egal welche Nationalität sie haben. Nein, die Willkommenskultur, von der gerade überall die Rede ist, kann nicht von oben kommen. Aber kommt sie denn von unten?

Manche Politiker reden so, als gehe die Willkommenskultur unmittelbar aus dem Nachdenken hervor. Als sei sie eine logische Angelegenheit. Wer eins zu eins zusammenzähle beziehungsweise sich vor Augen führe, dass dem deutschen Arbeitsmarkt in zehn Jahren 6,5 Millionen Erwerbstätige fehlen werden, der könne gar nicht anders, als Zuwanderer freudig zu begrüßen. Doch so einfach ist das nicht. Rein aus vernünftigen Erwägungen entsteht keine Willkommenskultur, allenfalls eine Willkommenstechnik, geprägt von Kalkül und der Erkenntnis, dass uns leider Fachkräfte und junge Menschen fehlen. Allzu leicht erkennt man die Absicht dahinter nach dem Motto: Wir müssen jetzt willkommensmäßig etwas tun. Als hätten wir’s nötig.

Und so ist es ja auch. Nicht bezogen auf die Flüchtlinge, die seit Wochen aus dem plötzlich erschreckend nahen Nahen Osten hierherströmen. Ihnen wird mit bemerkenswerter Hilfsbereitschaft und Offenheit begegnet; die Nachrichten und Fernsehbilder gehen ans Herz. Entsprechend herzlich reagieren viele Bürger; allerdings wird es schwer sein, den Impuls zu verstetigen. Hier soll aber die Rede von denjenigen sein, die schon länger in Deutschland leben und arbeiten, oft schon seit vielen Jahren, und dennoch nicht das Gefühl haben, dazuzugehören. Menschen wie jener ältere Mann aus Nigeria, der nach einer Veranstaltung des Auswärtigen Amtes und des Instituts für Auslandsbeziehungen zum Thema Willkommenskultur diese Woche in Stuttgart feststellte: „Ich liebe dieses Land, aber es liebt mich nicht.“ Kein Beruf, kein Wohlstand ersetzt ihm die fehlende menschliche Wärme. Das deckt sich mit Beobachtungen des Winnender Unternehmers und Brasilien-Kenners Johannes Kärcher. Er stellt fest, dass junge Südamerikaner in Deutschland gern eine Ausbildung machen, jedoch die Standortvorteile ihrer Heimat vermissen – Offenheit und Freude – und deshalb rasch zurückkehren.

Es hilft nichts, dies den Deutschen zum Vorwurf zu machen. Es hilft auch nichts, eine Willkommenskultur zu beschwören. Solange Menschen die Begegnung mit anderen Kulturen im eigenen Land nicht als persönliche Bereicherung empfinden können, bleibt Willkommenskultur ein Modewort, das wenig aussagt und nichts enthält. Einstellungen verändern sich nur durch Erfahrungen. Für Erfahrungen wiederum bedarf es Offenheit – gegenüber den Neuankömmlingen, aber auch gegenüber den eigenen Landsleuten.

Denn es ist ja nicht so, dass man den Zuwanderern und ansässigen Migranten etwas vorenthalten würde, was man dem alteingesessenen Nachbarn selbstverständlich entgegenbrächte. Herzlichkeit ist in Deutschland generell eher knapp bemessen. Ein Luxusgut. Anders ausgedrückt: Sie begegnet einem selten. Vorherrschend ist eine andere Haltung – die Zurück-Haltung. Nicht geschimpft ist genug gelobt, versichert man sich. Nach dieser Logik könnte man auch sagen: Den Mund nicht bewegt ist genug gelächelt. Menschen von außen verstehen das nicht.