Freude über die Prognose: Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (re.) mit Parteifreunden der Grünen im Rathaus Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Paukenschlag: Erstmals in der Geschichte der Landeshauptstadt haben die Grünen alle vier Direktmandate für den Landtag gewonnen. Es kommentiert Jan Sellner.

Stuttgart - Vor einer Bäckerei in der Wächterstraße, Wahlkreis I, steht eine riesige, von Efeu umrankte Brezel. Sie kann als Sinnbild für die politischen Machtverhältnisse in Stuttgart dienen: Die Stadt ist grün. So grün wie nie zuvor. Inzwischen färbt die politische Stimmung sogar auf das schwäbische Lieblingsgebäck ab. . .

Tatsächlich haben die Grünen in Stuttgart bei der Landtagswahl ein fulminantes Ergebnis erzielt. Schon 2011 hatten sie mit 34,5 Prozent ihren Stimmenanteil in der Landeshauptstadt gegenüber 2006 mehr als verdoppelt. Jetzt stehen sie bei volksparteiverdächtigen 36,4 Prozent und holen – getragen von der Kretschmann-Euphorie – erstmals alle vier Direktmandate: Muhterem Aras, Brigitte Lösch, Winfried Hermann und Franz Untersteller ziehen auf direktem Wege in den Landtag ein. Vieles wurde am Sonntagabend „historisch“ genannt. Das Stuttgarter Grünen-Ergebnis gehört zweifellos dazu.

Rabenschwarzer Tag

Für die CDU ist der 13. März ein rabenschwarzer Tag – speziell in Stuttgart, wo die Christdemokraten mit 22,2 Prozent noch deutlich unter dem ohnehin schon blamablen Landesergebnis bleiben. Bei der Gemeinderatswahl 2014 hatten sie die Grünen hinter sich gelassen. Nun dieses Desaster. Die Stuttgarter CDU muss, um im Bäckerbild zu bleiben, erst mal kleine Brötchen backen.

Depri-Stimmung auch bei den hiesigen Genossen. Mit 11,9 Prozent setzt sich ihr Niedergang rapide fort – schlimmer noch als im Land. Die Wähler haben ihnen Schwarzbrot verordnet. Daran wird die SPD lange zu kauen haben. Das gilt in abgeschwächter Form auch für die Linken (5,3 Prozent), die von ihrem Bundesvorsitzenden Bernd Riexinger wenig profitieren konnten. Ganz anders die FDP: Die Liberalen (9,4 Prozent) schnalzen seit der Wahl fröhlich mit der Zunge.

Schwer verdaulich ist das Abschneiden der AfD mit 11,1 Prozent. Das Kalkül der rechten Stimmungsmacher hat also auch hier verfangen. Weniger stark zwar als anderswo, doch sie sind nun auch in Stuttgart eine Größe. Das ist schmerzlich in einer Stadt der Weltoffenheit.