Julian Draxler wechselt für 35 Millionen Euro von Schalke zu Wolfsburg Foto: dpa

Am letzten Tag der Transferperiode im europäischen Fußball wurde es noch einmal hektisch. Dass es dabei mittlerweile um aberwitzige Summen geht, könnten die Fans ertragen, kommentiert Norbert Wallet – die Unehrlichkeit mancher Kicker dagegen nicht.

Stuttgart - Sommer-Schlussverkauf ist schön. Was man da alles kaufen kann. Bademoden, Gartenmöbel. Fußballer auch. Einen de Bruyne für 75 Millionen. Baba für 20 Millionen. Schweinsteiger geht für schlappe zehn Millionen weg. Die englischen Vereine sind neuerdings ganz wild auf Fußballkunst „made in Germany“.

Am Montag schloss das deutsche Transfer-Fenster. Ende der Jagdsaison sozusagen. Zeit also für einen kleinen Kassensturz: Im Sommer 2015 hat die Premier League 200 Millionen Euro mehr für Bundesliga-Spieler ausgegeben als in den beiden Jahren zuvor. Manche finden das besorgniserregend.

So fleißig kann niemand bei Daimler oder Bosch schaffen

Natürlich geht es um unglaubliche Summen. Irreal und schwindelerregend. So fleißig kann niemand bei Daimler oder Bosch schaffen, um jemals in deren Nähe zu kommen. Die Schere zwischen der Bühne der Stars und der Welt der Fans geht immer weiter auseinander. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass die Fans die Regeln dieses Spiels längst akzeptiert haben: Was würde denn der Manager eines Bundesliga-Klubs zu hören bekommen, der es wagte, zur nächsten Saison keine neuen Attraktionen, keine Hoffnung verheißenden Namen an Land zu ziehen? Und diese Hochkaräter – kosten.

Es ist viel Heuchelei im Spiel bei der Aufregung über den angeblichen Transferwahn. Die Briten kaufen die Bundesliga leer? Das stimmt schon statistisch hinten und vorn nicht. Aber selbst wenn: Was machen denn die deutschen Klubs in Skandinavien, Österreich, der Schweiz oder Ex-Jugoslawien. Ist das eine böse, das andere gut? Das ist abwegig. Tatsächlich ist der Profifußball eines der gesellschaftlichen Segmente, wo der freie Markt gut funktioniert: 15 Millionen britischer Fußballfans sind bereit, viel Geld für eine spektakulär aufgemachte Fußball-Berichterstattung im privaten Pay-TV auszugeben.

In Deutschland sind es nur 4,5 Millionen. Das spült den Klubs der Premier League sehr viel Geld in die Kassen, das sie umgehend wieder investieren – auch in Deutschland. Was soll daran schlecht sein? Wenn ein „kleiner“ Klub wie der FC Augsburg für Abdul Baba, der im Moment noch nicht mehr ist als eine große Verheißung, 20 Millionen Euro einnimmt, sichert das dem Verein ein gesundes Wachstum in gesicherten Strukturen. Tatsächlich lässt sich daraus sogar ein richtiges Geschäftsmodell schmieden: Talente finden, fördern, ausbilden und dann verkaufen: Das ist gut für die Klubs und den deutschen Fußball insgesamt.

Hochgerüstete Premier-League-Klubs reißen international keine Bäume aus

Im Übrigens wird derselbe Markt auch wieder dafür sorgen, dass die Überhitzung irgendwann abebbt. Wenn die Briten merken, dass sie auf Spielern, die nicht wie erhofft funktionieren, sitzen bleiben, weil die lieber ihre Luxusverträge aussitzen als sich weiterverkaufen zu lassen, wird das langfristig eine wieder dämpfende Wirkung entfalten. Und ob die üppigen Einkaufstouren sportlichen Erfolg garantieren, steht ebenfalls dahin. Zuletzt haben die hochgerüsteten Premier-League-Klubs international jedenfalls kaum Bäume ausgerissen. Es gibt also keinen Grund zu großer Aufregung.

Nein, das alles ist nicht so schlimm, wie es auf den ersten Blick scheint. Wirklich schlimm ist etwas ganz anderes: Diese innigen Wappenküsser unter den Spielern, die sich in heißen Treueschwüre ergehen, während ihre Berater den Wechsel schon längst eingetütet haben. Die Wortkünstler und Nebelwerfer, die in immer neuen Phrasen alles im Vagen lassen, während der Umzugswagen schon längst bestellt ist. Die sind schwer zu ertragen. Die Fans wissen durchaus genau, welche Gesetze im Profisport regieren. Das können sie auch ertragen. Unehrlichkeit dagegen nicht.