Das Prostitutionsgesetz soll freiwillige Sexarbeiter schützen. Foto: dpa

Die Große Koalition hat sich auf ein neues Gesetz zum Schutz von Prostituierten geeinigt. Die Reform geht jedoch komplett an den Betroffenen vorbei, findet Almut Siefert.

Es war eine lange Nacht. Heiß soll es hergegangen sein. Also in den Diskussionen. Die Frauenpolitiker der Großen Koalition haben sich auf einen Gesetzesentwurf geeinigt, der den Schutz der Prostituierten in Deutschland verbessern soll. Vermutlich in einem gemütlichen Hinterzimmer. Fernab vom Leben draußen, vom Leben auf den Straßenstrichen, vom Leben in den Bordellen, vom Leben in den Wohnungen, in denen Frauen und Männer ihre Dienstleistungen in selbstständiger Arbeit anbieten.

Das neue Gesetz wird eine Reform des 2002 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung verabschiedeten Prostitutionsgesetzes sein. Es soll die Prostituierten in Deutschland künftig besser vor Gewalt, Ausbeutung und Krankheit bewahren. Es bekommt sogar einen neuen Namen: Gesetz zum Prostituiertenschutz. Doch außer im Namen ist der Schutz der Sexarbeiter bei der Konzeption nicht bedacht worden.

Statt echten Schutzes sehen sich diese nun mit Kontrolle durch Zwang konfrontiert. Mit Schikanen, die die Frauen und Männer erst recht in die Illegalität treibt, wo sie Misshandlungen, hygienischen Missständen und erniedrigender Ausbeutung ausgesetzt sind.

Wie weltfremd die Frauenpolitiker in diesem Land sind, zeigt sich beispielhaft an einem Punkt: der Kondompflicht. Ein Herzenswunsch der Union. Bestraft werden soll bei Widerhandlung der Freier oder der Bordellbetreiber – nicht die Prostituierte. Etwas Sinnloseres als ein Gummizwang ist jedoch kaum denkbar. Unweigerlich drängt sich die Frage auf: Wer soll beziehungsweise wer will diese Regelung kontrollieren? Und vor allem wie? Der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Der Umsetzung in der Praxis allerdings schon. Auch die Polizeigewerkschaft hat bereits geäußert, die Beamten sähen sich außerstande, die angekündigte Kondompflicht zu überprüfen.

Ursprünglich war das Gesetz gedacht, um denjenigen, die freiwillig in der Sexarbeit tätig sind, mehr Schutz zu geben. Sie herauszuholen aus der dunklen schmierigen Ecke der Sittenwidrigkeit. Wie schon in der Vorgängerversion wird auch in dem neuen Gesetzesentwurf verwurschtelt, was getrennt gehört. Menschenhandel und Zwangsprostitution sind Straftaten, die ihren Platz im Strafgesetzbuch haben. Sie haben in einem Gesetz zur Liberalisierung freiwilliger Sexarbeit nichts zu suchen.

Doch genau mit diesen zwei Totschlagargumenten – Menschenhandel und Zwangsprostitution – werden viele Maßnahmen begründet. Mit einer persönlichen Anmeldepflicht soll Zwangsprostitution begegnet werden. Wer auch hier kurz die Fantasie bemüht, wird feststellen, dass auch das Quatsch ist. Wie wollen die Politiker sichergehen, dass die Damen und Herren nicht von ihren Zuhältern zur Meldung gezwungen werden – Mittel und Wege werden diese dafür haben.

Eines ist tatsächlich erfreulich: Die geplante Zwangsuntersuchung beim Arzt ist vom Tisch. Allerdings bekommen die Sexarbeiter eine weitere Pflicht aufgebrummt: Unter 21-Jährige müssen sich alle sechs, alle anderen alle zwölf Monate medizinisch beraten lassen. Ein weiterer Beweis für die Realitätsferne der Verantwortlichen: Eine Beratung ist schließlich in den meisten Fällen nur dann sinnvoll – und erfolgreich –, wenn sie freiwillig geschieht.

Es würde den Frauen und, liebe Frauenpolitiker, auch den Männern dieser Branche weitaus mehr helfen, wenn die Sexarbeit als Beruf endlich gesellschaftlich anerkannt und damit aus der dunklen Schmuddelecke herausgeholt wird.