In einem Sicherheitsraum werden die Akten des NSU-Untersuchungsausschusses gelagert. Foto: dpa

Ein Untersuchungsausschuss soll das schärfste Schwert der Demokratie sein. Doch den NSU-Rechercheuren des Landtags vertraut niemand mehr. Ein Kommentar von Franz Feyder.

Ein Untersuchungsausschuss, verlautbaren Abgeordnete gerne, sei ihr letzter Ausweg. Damit wollen sie Licht ins Dunkle bringen, wenn etwas vergeigt, der Karren an die Wand gefahren wurde. Das gilt für den Polizeieinsatz im Stuttgarter Schlossgarten ebenso, wie für die Spionage von US-Geheimdiensten. Und auch für jene zehn Morde, 15 Banküberfälle und drei Sprengstoffanschläge, mit denen der rechtsterroristische „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) elf Jahre lang die Bundesrepublik überzogen haben soll. Der Untersuchungsausschuss ist das schärfste Schwert, zu dem die Demokratie greifen kann und soll.

In Baden-Württemberg ist das anders: Da plaudern Mitarbeiter des Innenministeriums im NSU-Gremium Vertrauliches aus der Untersuchungsrunde aus, damit lässt ihr Ressort ein Disziplinarverfahren gegen einen unliebsamen Polizisten einleiten. Es reicht Informationen über einen Zeugen des Ausschusses an Ermittler weiter. Minister Reinhold Gall (SPD) argumentiert, seine Mitarbeiter befänden sich im Gewissenskonflikt: Als Beamte seien sie verpflichtet, Unrechtes zu melden und ahnden zu lassen. Eine Meinung, auf die außer ihm niemand setzt.

Ein Verfahren müsste zumindest das Fehlverhalten der Ministerialen bewerten

In keinem der ungezählten deutschen Untersuchungsausschüsse hat eine Regierung derart unverfroren argumentiert – und so die Grundfesten der Demokratie in Frage gestellt: Die Exekutive, also auch die Ministerien, werden durch das Parlament kontrolliert. Nicht umgekehrt – wie es der aktuelle Fall spiegelt. Dass die Politiker der NSU-Runde entschieden, den Ministerialen künftig die vertraulichen Zusendungen von Bürgern vorzuenthalten, hat keinerlei Auswirkungen. Das ist so sinnvoll, wie einem Medikamentenabhängigen den Schlüssel zum Arzneimittelschrank fortzunehmen. Und ihn stattdessen unbeaufsichtigt vor den sperrangelweit geöffneten, prall gefüllten Schrank zu setzen. Ein Ermittlungsverfahren müsste zumindest das Fehlverhalten der Ministerialen juristisch bewerten.

Dem Innenressort ist es schwer gefallen, sich mit den Verbindungen des NSU nach Baden-Württemberg auseinanderzusetzen. Das wollte Gall mit einer Ermittlungsgruppe aufklären – er scheiterte erbärmlich. Die NSU-Enquetekommission des Parlaments machte sich lächerlich. Jetzt zerstören Galls Ministeriale den Rest Vertrauen in die parlamentarische Arbeit, die vielleicht noch bei den Bürgern – dem Souverän – vorhanden ist. Auf Gegenwehr stößt das im Parlament nicht.

Das schärfste Schwert der Demokratie

Zuerst konnten die NSU-Abgeordneten in der Kür glänzen – auch weil ihnen der Fall Florian Heilig und eine schludrig ermittelnde Polizei den Weg bereitete. Jetzt kommt die Pflicht: Die Politiker finden die von ihnen angeforderten Akten baden-württembergischer Sicherheitsbehörden in denen von Dienststellen des Bundes und anderer Länder – eben aber nicht in den Ordnern, die ihnen das Innenressort vorlegt. Genau das hatten frühere NSU-Rechercheure des Bundestages kritisiert. Innenministeriale sind und waren als parlamentarische Berater zur SPD-Fraktion abgestellt. Sie werten für die Abgeordneten die Akten aus, bereiten Befragungen vor. Zudem nehmen sie auch an strategischen Beratungen des grünen Koalitionspartners teil. Im Team des Ausschussvorsitzenden arbeitet jener Richter mit, den die Landesregierung in den NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages entsandte – und der dort mit am vehementesten den Anträgen und Fragen der Abgeordneten entgegentrat.

Ein Untersuchungsausschuss soll das schärfste Schwert der Demokratie sein. In Baden-Württemberg ist das NSU-Gremium auf dem Weg, ein Wattebausch zu werden: Einer, der die Interessen des Innenministeriums sicher schützt.