Viel Platz – der Vorschlag der Stadt für eine Neugestaltung des Marktplatzes Foto: Stadtplanungsamt

Der Mittelpunkt der Stadt muss dringend aufgemöbelt werden. Jetzt stellt sich die Frage, wie man das Beste aus dem Stuttgarter Marktplatz machen kann.

Stuttgart - Stuttgart besitzt schöne Plätze. Es gibt Leute, die halten etwa den Schlossplatz für einen der schönsten Deutschlands, vielleicht sogar Europas. Man möchte ihnen nicht widersprechen. Verglichen damit hat der Stuttgarter Marktplatz – Verzeihung – Hinterhofcharakter.

Das ist bedauerlich, weil Marktplätze in der Regel den städtischen Mittelpunkt markieren. Sie sind stadtbildprägend und im besten Fall gemeinschaftsstiftend. Das gilt seit der Antike. Bei den alten Griechen bildete die Agora den zentralen Fest-, Versammlungs-, Kult- und Marktplatz. Hier kamen die Bürger zusammen, um über öffentliche Angelegenheiten zu beraten – so wie es die Stadträte heute im Rathaus tun. Die Agora war das soziale Zentrum. Hier schlug das Herz der Polis. In Stuttgart fällt es schwer, an diesem Platz einen Herzschlag zu vernehmen.

Ein Platz zum Davonlaufen?

Das Schönste am Stuttgarter Marktplatz sind ohne Zweifel seine Märkte: der Wochenmarkt dienstags, donnerstags und samstags. Ein Anziehungspunkt ist der Platz auch während des Weihnachtsmarkts, beim Weindorf und beim Festival der Kulturen. Dann spielt hier buchstäblich die Musik. Ansonsten ist der Marktplatz kein Platz zum Verweilen, sondern zum Eilen. Manche sagen zum Davonlaufen. Das ist übertrieben, aber es stimmt schon: Man betritt dieses Pflaster selten mit Freude. Das hat auch damit zu tun, dass der Stuttgarter Marktplatz der einzige einer deutschen Großstadt ohne nennenswerte (Außen-)Gastronomie ist.

Jetzt – 40 Jahre nach der letzten Sanierung – unternimmt die Stadt einen neuen Anlauf, den Platz attraktiver zu machen. Das ist überfällig auch angesichts des neuen Dorotheen-Quartiers in unmittelbarer Nachbarschaft. Knapp sechs Millionen Euro will die Verwaltung für einen neuen, einheitlichen Belag ausgeben – das Einverständnis des Gemeinderats vorausgesetzt. Im Preis inbegriffen wären die Anhebung des einst tiefer gelegten Brunnens auf Marktplatzniveau und ein Wasserspiel vor dem ehemaligen Hauffler-Gebäude. Alles lobenswerte Vorschläge. Eine klare Verbesserung wäre überdies die geplante Einbeziehung der Marktstraße. Sie soll ebenfalls gepflastert und damit optisch Teil des Platzes werden.

Es braucht ein Café am Marktplatz

Eines zeigen die Pläne allerdings auch deutlich: Es bleibt ein Marktplatz der begrenzten Möglichkeiten. Das gesamte Ensemble atmet den Geist der reduzierten fünfziger Jahre. Authentisch zwar, aber doch irgendwie aus der Not geboren. Daran ändern weder das dominante Rathaus etwas noch die bunten Fassaden drum herum – ebenso wenig das aufwendige Kulissenschieben des Kaufhauses Breuninger zum Marktplatz hin. Der Rahmen für Veränderungen ist eng gesteckt.

Gleichwohl sollte der Stadt noch einiges mehr einfallen, um aus der gegebenen Platz-Situation das Beste zu machen. Vor allem braucht es ein wie immer geartetes Café am Marktplatz. Oder besser: zwei. Zum anderen könnte man – bildlich gesprochen – eine historische Ebene einziehen. Erstmals erwähnt wurde der Marktplatz im Jahr 1304; er hat also eine lange Geschichte. Damit könnte man plastisch umgehen – etwa in Form eines attraktiven Panoramas. Das böte auch Gelegenheit, die in der Hirschstraße versteckte Schutzgöttin Stuttgardia, einst zentrale Rathausfigur, wieder ins Blickfeld zu rücken. Warum nicht ihre Geschichte und andere Marktplatzgeschichten anschaulich erzählen? Geschichte gibt Orten ein Gesicht. Der Marktplatz braucht eines.

jan.sellner@stzn.de