Klingler vor dem Amtsgericht: „Die Bürger hätten ein anderes Urteil gesprochen“ Foto: Martin Stollberg

Die AfD-Fraktion im Stuttgarter Gemeinderat sitzt in der Klemme: Wenn ihr Sprecher Bernd Klingler nach dem Schuldspruch gegen ihn sein Mandat niederlegt, verliert sie ihren Fraktionsstatus – und damit Macht und Geld. Deshalb darf Klingler wohl bleiben, meint Kommentator Rainer Wehaus.

Stuttgart - Die AfD präsentiert sich gern als Alternative zu den etablierten Parteien. Denen gehe es nur um Pöstchen und Macht, behaupten die Rechtskonservativen. In Stuttgart ist zu besichtigen, dass die AfD diesbezüglich erst mal vor ihrer eigenen Türe kehren sollte. AfD-Stadtrat Heinrich Fiechtner zum Beispiel ist inzwischen in den Landtag eingezogen. Warum legt er nicht sein Mandat im Stadtrat nieder? Hat er als Landtagsabgeordneter und Onkologe nicht mehr als genug zu tun? Die Erklärung dafür ist ganz einfach: Sollte Fiechtner sein Mandat zurückgeben, würde einer nachrücken, der inzwischen der AfD-Konkurrenzpartei Alfa angehört. Das hieße für die AfD: Sie würde ihren Fraktionsstatus wieder verlieren – und damit Macht und Geld.

Merkwürdige Kontenbewegungen

Ähnliches gilt für Fraktionssprecher Bernd Klingler. Nach den Kriterien, die von der AfD sonst an andere angelegt werden, müsste er nach dem Urteil des Amtsgerichts sein Mandat niederlegen. Die Richterin zeichnete in ihrer Urteilsbegründung das Bild eines Mannes, der mit der Wahrheit auf Kriegsfuß steht, um es vorsichtig auszudrücken. Klinglers Entgegnung, die Bürger hätten sicher ein anderes Urteil gesprochen, ist frech. Die Bürger konnten – im Unterschied zur Polizei – nicht die merkwürdigen Bewegungen auf seinen vielen Bankkonten einsehen. Sonst würden sie sicher ins Grübeln kommen. Ein Abgang Klinglers käme der FDP zugute, für die er in den Gemeinderat gewählt wurde. Sie dürfte einen Nachrücker entsenden. Deshalb darf Klingler vermutlich bleiben – in welcher Funktion auch immer. Auch die AfD klebt halt an ihren Pöstchen.

rainer.wehaus@stuttgarter-nachrichten.de