Der private Konsum ist derzeit eine wesentliche Stütze der deutschen Binnenkonjunktur. Foto: dpa

Die gute Wirtschaftslage in Deutschland ist trügerisch, denn sie basiert auf den ungesund niedrigen Zinsen in der EU, urteilt unser Redakteur Roland Pichler. Die Politik müsste dringend Investitionsanreize für die Wirtschaft schaffen.

Berlin - Die aktuellen Konjunkturzahlen sind ganz passabel: In diesem Jahr ist mit höherem Wachstum zu rechnen, als im Frühjahr erwartet worden ist. Auch für 2017 ist ein moderater Aufschwung in Sicht. Falls der Brexit und die Unsicherheit bei europäischen Banken die Bilanz nicht noch verhageln, kündigt sich ein durchschnittliches Jahr an. Dennoch stimmen die Umstände, auf denen die soliden Zahlen beruhen, nachdenklich. Nach wie vor wird die Konjunktur in Deutschland vor allem von der starken Nachfrage der Konsumenten getrieben. Das war angesichts der guten Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt zwar zu erwarten, aber sicher ist auch, dass Sondereffekte die Kauflaune der Verbraucher anheizen. Dabei handelt es sich um gesunkene Benzinpreisesowie die extrem niedrigen Zinsen. Wer für sein Erspartes kaum noch Zinsen erhält, ist geneigt, das Geld in den Konsum zu stecken. Durch die Niedrigzinsen wird außerdem die Baukonjunktur angeheizt. In vielen Städten erklimmen die Immobilienpreise neue Höchststände.

Phase des Wachstums ist nicht dauerhaft

Das ist keine gesunde Entwicklung. Die deutsche Konjunktur beruht zum großen Teil auf günstigen Umständen. Diese halten nicht ewig an. Die aktuellen Beschlüsse der Ölförderstaaten deuten darauf hin, dass die Zeiten extrem niedriger Benzin- und Heizölpreise vorbei sind. Für die globale Wirtschaft wäre das kein Nachteil, denn viele Schwellen- und Entwicklungsländer haben Finanzprobleme, weil die Einnahmen aus dem Ölgeschäft gesunken sind. Wenn es den Schwellenländern wieder besser geht, nutzt das auch Exportländern wie Deutschland.

Die deutsche Wirtschaftspolitik sollte sich jetzt darauf vorbereiten, dass sich die Phase des geborgten Wachstums nicht dauerhaft fortsetzt. Ohne den Rückenwind steht die deutsche Wirtschaft keineswegs so tadellos da. Anlass zu Sorge gibt, dass die Unternehmen im Inland kaum noch investieren. Das ist bedenklich, da die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihrer Nullzinspolitik gute Bedingungen für Investitionen schafft. Doch die EZB-Politik verfehlt ihre Wirkung. Sie führt nicht zu steigender Kreditnachfrage der Betriebe. Das deutet darauf hin, dass der Aufschwung keineswegs gesichert ist. Die Politik sollte deshalb die Investitionen fördern. Dazu können Steuersenkungen beitragen.