Deutschland hat viele Flüchtlinge aufgenommen – fürchtet sich nun aber vor dem Nachzug der Familien Foto: dpa

Beim Familiennachzug zeigt sich das ganze Chaos in der Asylpolitik: Erst lässt man eine siebenstellige Zahl Flüchtlinge ins Land, aber dann blockiert man den Nachzug der Familien aus den Kriegsgebieten.

Stuttgart - Die Vorstellung ist bitter: Man ist aus einem Kriegsgebiet geflohen und hat es auf verschlungenen Pfaden heil nach Europa geschafft. In Deutschland ist man als Asylberechtigter anerkannt. Man hat das Recht, seine engsten Familienmitglieder nachzuholen. Doch das klappt nicht. Die Bürokratie verhindert es über Jahre. Man kann nichts tun als warten und in den Medien verfolgen, wie in der Heimat die Menschen sterben. Das ist grausam.

So ergeht es derzeit Tausenden, vor allem aus Syrien. Denn die deutschen Vertretungen im Nahen Osten, bei denen die Familien Visumanträge stellen müssen, sind das nächste Glied in der langen Kette an Institutionen, die mit der enormen Flüchtlingszahl heillos überfordert sind. Zwar baut das Auswärtige Amt die Kapazitäten aus, so gut es geht, doch das ist angesichts des Andrangs nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Das Glück der frühen Ankunft

Dazu kommt: Wer im vergangenen Jahr gekommen ist, darf Frau und Kinder nachholen. Wer dagegen später dran gewesen ist und seit Änderung der Regeln im März plötzlich nur noch eingeschränkten Schutz erhält, darf das nicht. Auch das kann ein Betroffener unmöglich verstehen. Dieses Vorgehen ist der Befürchtung geschuldet, es könnten Hunderttausende Angehörige nachkommen. Die berechtigten Ängste gibt es auch in der Bevölkerung zuhauf.

Beim Familiennachzug zeigt sich deshalb die ganze Misere der deutschen Asylpolitik: Erst lässt man unkontrolliert eine siebenstellige Zahl Flüchtlinge ins Land, hebelt dann aber die eigenen Gesetze aus und lässt die nachzugsberechtigten Angehörigen über Jahre im Bombenhagel sitzen. Man könnte auch sagen: sterben. Das ist ein weiterer Offenbarungseid in einer langen Reihe.

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juergen.bock@stuttgarter-nachrichten.de