Wird er der nächste Premierminister? Bei den britischen Tories gibt es starken Widerstand gegen den Brexit-Kämpfer und früheren Londoner Bürgermeister Boris Johnson. Foto: AFP

Es macht für die Kontinentaleuropäer keinen Sinn, auf einen Jetzt-und-Sofort-Brexit zu drängen, kommentiert Politik-Chef Rainer Pörtner.

Stuttgart - Wie schnell soll es gehen mit dem Briten-Abschied? Die EU-Kommission, der Präsident des EU-Parlaments, die deutsche SPD – sie alle und noch viele mehr drängen die Regierung in London, jetzt und sofort das Kündigungsschreiben einzureichen. Tatsächlich wünscht sich wohl niemand ein ewig langes Abwarten. Es könnte den Schaden für die Wirtschaft vergrößern und den Exit-Propagandisten in anderen Ländern zusätzlichen Schub geben. Aber in den Wortmeldungen, die ein „Brexit sofort!“ anstimmen, schwingt auch immer ein Unterton des Beleidigtseins und der Rachsucht mit. Die Briten sollen schnell zu spüren bekommen, was sie da angerichtet haben; Härte gegen die Abtrünnigen – das ist das Motto.

Die Kontinentaleuropäer sollten sich von solchen Stimmungen nicht beherrschen lassen. Offensichtlich gibt es in London ein Machtvakuum. Die Frage, wer in Downing Street No. 10 residiert, muss in Ruhe geklärt werden – vor allem, wenn so die Chance steigt, den Unruhestifter Boris Johnson als Premier zu verhindern. Das Referendum hat die politischen Verhältnisse im Land zum Tanzen gebracht, selbst der totale Zerfall von Great Britain ist möglich. Dass die Briten wirklich die EU verlassen, ist nicht mehr so sicher, wie es am Morgen nach der Abstimmung schien. Da ist es besser, eine Zeit lang geduldig zu sein.