Die Computergrafik zeigt den Entwurf von Sasha Waltz und der Stuttgarter Szenografen Milla & Partner für das Einheitsdenkmal. Foto: dpa

Der Entwurf des Stuttgarter Ideenexperten Johannes Milla und seines Architektur- und Gestaltungsbüros für das Einheitsdenkmal in Berlin ist gescheitert. Die Hauptstadt sieht sich nicht in der Lage, eine gute Idee in die Tat umzusetzen, schreibt Tim Schleider.

Berlin - Das Einheitsdenkmal in Berlin ist gestoppt. Der ebenso großzügige wie überraschende Entwurf des Stuttgarter Ideenexperten Johannes Milla und seines Projektpartners Sebastian Letz, die „Einheitswippe“, ist an den Schwierigkeiten des Geländes, vor allem aber an den Widrigkeiten in den zuständigen Verwaltungen und schließlich am mangelnden Mut der politischen Gremien gescheitert.

Am Mittwochabend hat der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages einstimmig beschlossen, die nötigen Mittel für den Bau des „Freiheits- und Einheitsdenkmals" nicht freizugeben und die Bundesregierung aufzufordern, jede weitere Planung daran einzustellen. Damit ist, wie Johannes Milla erläutert, der Vertrag zwischen dem Bundesbauministerium und seiner Agentur Milla & Partner im Heusteigviertel hinfällig. „Es gibt zwei Bedingungen in diesem Vertrag für den Bau“, so Milla. „Die erste war seit vergangenem September erfüllt: die Baugenehmigung. Die zweite ist die Freigabe der Haushaltsmittel durch den Ausschuss. Das hat sich nun erledigt. Und damit das ganze Projekt.“

Ausschlaggebend für den Beschluss in Berlin (der Ausschuss tagte nicht öffentlich) war offenbar ein Bericht der Bundesregierung über einen Anstieg der Denkmalkosten von 10 auf 15 Millionen Euro. Johannes Milla selbst widerspricht der Darstellung. „Von einer Kostenexplosion ist uns nichts bekannt. Es gibt Mehraufwand, der durch Auflagen der Denkmal- und Naturschützer entstanden ist, aber die Gesamtsumme liegt noch immer weit unter 15 Millionen. Immerhin ist das Projekt inzwischen seit fünf Jahren in der Planung. Gewisse Kostensteigerungen sind da stets erwartbar.“ Eine Gelegenheit zur Stellungnahme gab ihm der Haushaltsausschuss nicht, informierte ihn vorab noch nicht einmal über seine Tagesordnung. Stattdessen äußerte sich der CDU-Abgeordnete Rüdiger Krause hinterher im Deutschlandfunk, der Milla-Entwurf sei „einfach nicht so genial“, dass man einen höheren Preis für seine Umsetzung tragen wolle.

Eine neue Form des Bürger-Denkmals

Hier ist wohl genau der Punkt: Millas Idee, ursprünglich gemeinsam entwickelt mit der Choreografin Sasha Waltz, geht einfach weit über das hinaus, was sich die meisten verantwortlichen Politiker unter einem Einheitsdenkmal vorstellen können. Hier sollte kein Steinmonument entstehen, sollten keine heroischen Figuren die Hände gen Himmel recken oder bunte Fahnen wehen. Hier sollte im Herzen der Hauptstadt eine große begehbare Fläche entstehen, auf der die Bürger flanieren können, – und die sich langsam, aber sicher bewegt, je nachdem, welche Richtung die Bürger mehrheitlich nehmen: eine „soziale Skulptur“. Und der Platz für diese ganz neue, eigene Form eines Bürger-Denkmals sollte just an der Stelle sein, wo in früheren Jahrzehnten auf hohem Sockel ein großer, hohler deutscher Kaiser den Passanten Respekt einzuflößen getrachtet hatte.

„Einheitswippe“ wurde Millas Entwurf schnell tituliert. Einerseits typisch Berliner Schnauze, dort wird halt für jedes Bauwerk ein flotter Name gesucht und gefunden. Aber in der „Einheitswippe“ schwang von Anfang an beides mit: Respekt und Herabsetzung. Die meisten deutschen Feuilletons verrissen den Entwurf, die Berliner Publizistik störte sich ohnehin daran, dass die Idee eines so zentral positionierten Baukörpers ausgerechnet aus Stuttgart stammen könnte.

Von Beginn an hakt es bei der Umsetzung

In nicht enden wollenden Gesprächen und Sitzungen hat Johannes Milla geworben und überzeugt, 2011 den Ausschreibungs-Wettbewerb gewonnen. Seitdem hakte es bei Planung und Umsetzung. Die Idee musste in einen technisch praktikablen Entwurf umgesetzt werden. Das gelang. Fragen der Sicherheit und immer wieder neue Regeln der Barrierefreiheit waren zu klären. Vor allem musste mit den notorisch überforderten Behörden des Stadtstaates Berlin zusammengearbeitet werden. Ausgerechnet der noch vorhandene Sockel des alten Kaiserdenkmals machte Probleme. Fledermausfamilien wurden dort entdeckt, der Denkmalschutz legte wilhelminische Mosaiken frei.

Den Vorwurf, die aktuellen Schwierigkeiten der Planer nur als Vorwand zu nehmen, um einen grundsätzlich von ihnen ungeliebten Entwurf zu beerdigen, werden die Haushaltsexperten aushalten. Die große Mehrheit der Bevölkerung teilt zweifellos ihre Auffassung, dass Kunst eigentlich nichts kosten darf. Eva Högl, die Berliner Bundestagsabgeordnete der SPD, jubelt in einer Stellungnahmes, endlich würde nun wahr, was sich ohnehin die meisten Bürger der Hauptstadt wünschten: vor dem gerade wieder in die Höhe wachsenden Berliner Schloss schön viel freie Fläche zum Flanieren und Entspannen.

Das Denkmal war ein wichtiger Kontrapunkt

Das ist just der zweite große Schaden, den der Haushaltausschuss des Bundestages in Kauf nimmt: Das Einheitsdenkmal hatte ja seinen besonderen Platz – am Spreeufer direkt vor der auf alt getrimmten Fassade des Preußen-Schlosses, hinter der in einem modernen Betonbau künftig das multikulturelle Humboldt-Forum seinen Platz finden soll. Über die Idee, am zentralen Platz der Hauptstadt barocke Pracht- und Herrschaftsfassade als Theaterarchitektur aus der Retorte auferstehen zu lassen, wurde lange gestritten; der Bundestag hat es schließlich so entschieden. Millas Einheitsdenkmal mitten vor dem Schloss war dazu immerhin ein wichtiger Kontrapunkt – als Platz und Ort der Demokratie. Es wäre zweifellos ein Treffpunkt für Berliner und ihrer Gäste geworden, rund um die Uhr lebendig.

Monika Grütters, die politisch zuständige Kulturstaatsministerin der Bundesregierung, erklärt am Tag nach der Entscheidung: „Dies trifft viele enthusiastische Beteiligte und Befürworter, die dieses Projekt initiiert und über die Jahre begleitet haben.“ Ansonsten empfiehlt sie nun als „Mahnmal für die deutsche Freiheit“ das Brandenburger Tor.

Just dies wollte Johannes Milla verhindern: ein „Freiheits-Mahnmal“: „Wir wollten an ein positives, freudiges Ereignis erinnern und ganz sicher nicht ermahnen“. Eine offizielle Unterrichtung aus Berlin liegt ihm am Donnerstag nicht vor, noch nicht mal ein Telefonat. „Auf den Tag genau vor fünf Jahren haben wir den Wettbewerb gewonnen.“ Sein Gemütszustand? „Erschüttert. Welch eine politische Missachtung kreativer Arbeit und der Kultur.“