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Trotz der Spionage-Vorwürfe gegen den BND setzen Bundesregierung und Geheimdienste weiter auf enge Zusammenarbeit mit dem US-Dienst NSA. In der aktuellen Erregtheit über den BND steckt viel Heuchelei, kommentiert unser Autor Norbert Wallet.

Wir sind alle noch meilenweit davon entfernt, die Ausmaße des BND-Skandals zu überblicken, ja sogar überhaupt sicher zu sein, ob dieses Wort, mit dem so schnell hantiert wird, angebracht ist. Es gibt Gerüchte, und es kursieren Listen über angebliche Spähziele der NSA, die vom Bundesnachrichtendienst abgearbeitet worden sein soll. Und es gibt Dementis der Bundesregierung, die so eigenartig und nebulös sind wie die Vorwürfe selbst. Das alles hält einige nicht davon ab, ihr Urteil bereits zu sprechen. Die „Bild“- Zeitung stellt den Innenminister als Lügner mit langer Nase an den Pranger. „Der Spiegel“ titelt „BND und Bundesregierung gegen deutsche Interessen“.

Wenn sich schon über die Sache selbst schlecht sprechen lässt, solange die Fakten nicht auf dem Tisch liegen, so lässt sich doch manches zum schwergewichtigen Vorwurf sagen, hier würde man sich gegen deutsche Interessen versündigen. Dazu gehört ein schlichter Hinweis: Die intensivierten Aktivitäten internationaler Dienste gehen auf ein Ur-Ereignis zurück – den 11. September 2001. Drei Todespiloten und einige Helfer haben in Hamburg gewohnt. Unbehelligt von deutschen Behörden. Auch deutsches Versagen hat dazu beigetragen, dass bei den Anschlägen in den USA fast 3000 Menschen starben. Es liegt „im deutschen Interesse“, dass so etwas nicht wieder vorkommt. Im deutschen Interesse liegt also folgerichtig auch eine effiziente Informationsbeschaffung.

Deutschland aber leistet sich Geheimdienste, die sehr lange den Anschluss an die neuen Möglichkeiten der Telekommunikation gründlich verschlafen haben. Das allein schon ist heikel. Eine angemessene technische Aufrüstung kostete gewaltige Summen. Deutsche Regierungen haben – sicher durchaus im Einklang mit der Stimmungslage in der Bevölkerung – die Entscheidung getroffen, das Geld lieber anders auszugeben – für alternative Energien, für Kultur oder ökologischen Landbau, für Bildung oder ein teures Sozialsystem. Das kann man so machen. Aber dann muss man eben mit der Konsequenz leben: Die von einem breiten Konsens der Bürger getragene Politik „schlanker“ Dienste liefert Deutschland dem guten Willen von effizienteren Geheimdiensten aus.

Wir brauchen deren Informationen, um eine wirksame Terrorabwehr gewährleisten zu können. Und diesen Schaden von den Bürgern abzuwehren ist impliziter Teil des Amtseids eines jeden Mitglieds der Bundesregierung. Und tatsächlich haben die Partner ja auch geliefert. Ohne die Hinweise der USA wäre die Sauerland-Zelle jedenfalls nicht aufgeflogen – die größte bisher bekannte islamistische Anschlagsplanung auf deutschem Boden. Beides geht nicht gleichzeitig: Ein eher kleiner deutscher Geheimdienst und eine restriktive Zusammenarbeit mit anderen Diensten – das verstieße nun wirklich gegen die von mancher Seite so feierlich beschworenen deutschen Interessen. Das zu verschweigen ist verlogen.

Was ist das aber für eine Hybris zu glauben, diese Kooperation könne sozusagen zum Nulltarif eingegangen werden. Die Frage ist nur, wie weit man amerikanischen Wünschen entgegenkommen darf. Hier ordnet sich die aktuelle „Affäre“ ein. Noch aber ist noch nicht einmal klar, ob es tatsächlich wirtschaftliche US-Interessen waren oder doch Fragen der Terrorabwehr, die den Amerikanern das Anzapfen von europäischen Unternehmen wünschenswert erscheinen ließen. Wenn dies zu weit ging, wird man das stoppen müssen. Aber die moralische Entrüstung ist an dieser Stelle eher eine unappetitliche Selbstüberhöhung.

Was alles nicht heißt, dass man das Parlament belügen darf. Das ist ein anderes Thema, und womöglich liegt hier dann tatsächlich so etwas wie ein Skandal.