Nach den Bombenexplosionen im Brüsseler Flughafen und in einer U-Bahn-Station: Großkampftag für die belgischen Sicherheitskräfte. Foto:  

Es wird zur grausigen Gewissheit: Der islamistisch motivierte Terrorismus geht einher mit der Globalisierung und wird so schnell nicht verschwinden. Die Anschläge von Brüssel sind dafür ein trauriger Beleg, meint unser Autor Christoph Reisinger.

Stuttgart - Schon wieder Brüssel. Nicht einmal 22 Monate nach den Morden im Jüdischen Museum trifft es erneut die belgische Hauptstadt, den Sitz von Nato und EU. Seit den Terrorangriffen auf New York und Washington 2001 werden europäische und nordamerikanische Städte immer mehr zu Schauplätzen terroristischer, islamistisch motivierter Gewalt.

Das nach dem unendlichen Leid der Opfer Schlimmste daran ist: Es wird zur Gewissheit, dass diese Form des Schwerverbrechens einhergeht mit der fortschreitenden Globalisierung. Nicht nur Waren, Finanzen, Touristen oder Flüchtlinge sind in nie gekannter Zahl zwischen Ländern und Erdteilen in Bewegung. Dasselbe gilt für diese extreme Form der Gewalt, die in fast allen aktuellen Kriegen vorkommt, die sich aber auch leicht in Nichtkriegsgebiete ex- oder importieren lässt. Wie eben in Brüssel.

Genau das macht diesen Terrorismus so schwer berechen- und fast unausrottbar. Sicher, die meisten Drahtzieher und Täter berufen sich auf einen angeblich göttlichen Willen. Sie verbiegen den Islam, den Hunderte Millionen Muslime weltweit ganz anders verstehen und leben, zu einer Hassideologie des Todes und des Mordes. Aber da hört ihre Gemeinsamkeit auf.

Wäre in Brüssel so etwas wie eine islamische Weltverschwörung zugange gewesen, dann ließe sie sich greifen und leicht bekämpfen. Die Wirklichkeit ist aber wesentlich komplizierter. Anschläge wie jene in Brüssel und zuletzt in Paris ereignen sich noch viel häufiger in Aleppo, Bagdad, Istanbul oder Kabul und richten sich zumeist gegen Muslime.

Die Wahrheit ist beunruhigend

Deshalb entlarvt sich die Deutung der Brüsseler Verbrechen etwa durch den ungarischen Außenminister Peter Szijjarto auf den ersten Blick als so schäbiger wie durchsichtiger Versuch, aus der Not der Opfer politisches Kapital zu schlagen. Seine Behauptung, die terroristische Gefahr erwachse aus der illegalen Einwanderung nach Europa, findet bisher in kaum einem Fall Bestätigung.

Die Wahrheit ist wesentlich beunruhigender: Die Angriffe auf die USA 2001 wurden vor allem in Deutschland ausgeheckt, die Anschläge von Paris in Belgien und Frankreich, nach den Explosionen in Brüssel stehen erst einmal Einheimische unter Verdacht. Sprösslinge von Einwandererfamilien ja, aber längst in Europa angekommen. – Und da radikalisiert. Was nicht zuletzt durch die Tatsache untermauert wird, dass nach den Morden von Paris und Brüssel jeweils Männer mit marokkanischen Wurzeln unter Verdacht stehen, Marokkaner aus Marokko aber so gut wie keine Rolle in der weltweiten Dschihadisten-Szene spielen.

Und das heißt? Dass es mutmaßlich auf lange Zeit keine Entwarnung in Sachen islamistischer Terrorismus geben wird. Dass Polizei, Justiz und Geheimdienste angemessen ausgestattet werden müssen, um dieser Gefahr unter Beachtung rechtsstaatlicher Normen auf allen Ebenen wirksam zu begegnen. Dass es aber die falscheste Reaktion wäre, sich von den Terroristen terrorisieren zu lassen. Die persönliche Freiheit, die Lebensfreude und letztlich Demokratie und Freiheit kämen sonst unter die Räder. Genau das ist es ja, was die Mörder wollen.

c.reisinger@stn.zgs.de