Geschlossene Schalter bei der Lufthansa – auch eine Art, Passagiere abzufertigen Foto: dpa

Lokführer streiken für höhere Einkommen, Piloten für ihre luxuriöse Versorgung. Vor allem aber streiken sie gegen ihre eigenen Kollegen, die nicht in solchen Schlüsselpositionen sitzen und beim Kampf um den betrieblichen Lohnkuchen ins Hintertreffen geraten.

Der Streik ist ein Mittel der Notwehr, mit dem Arbeiter dagegen ankämpfen können, sich zu willkürlich festgelegten Löhnen verdingen zu müssen. Die Arbeiterbewegung hat dieses Recht in harten Auseinandersetzungen erkämpft, die manche mit ihrem Leben bezahlen mussten. Mit wachsendem Wohlstand ging es dann auch um Teilhabe an der wirtschaftlichen Entwicklung. Doch heute gibt es Streiks, die mit der ursprünglichen Idee kaum noch etwas gemein haben.

Piloten lassen Passagiere im Stich, um dafür zu kämpfen, auch bei blendender Gesundheit mit 55 Jahren in eine hoch bezahlte Rente zu gehen; und die Lokführer lassen Millionen Menschen stehen, damit Gewerkschaftschef Claus Weselsky die Bahn zwingen kann, auch für Zugbegleiter und Bordbistro-Mitarbeiter Verträge abzuschließen und so der Konkurrenzgewerkschaft EVG Mitglieder abzujagen. Die Passagiere sind in diesem Machtpoker nicht viel mehr als ein Faustpfand. Zum Glück erleben die Vorkämpfer des Streikrechts nicht mehr mit, zu welchen Auswüchsen das von ihnen erstrittene Grundrecht führen kann.

Es ist ein Kampf von Mitarbeitern gegen Mitarbeiter

Jahrzehntelang waren Bahn und Lufthansa gut geschützt vor Konkurrenz. Doch längst haben beide starke Wettbewerber bekommen. Das rasante Wachstum der Fernbuslinien zeigt, wie dankbar Menschen Alternativen zur Bahn annehmen. Und die Lufthansa sucht verzweifelt nach Auswegen, um nicht zwischen Billigfliegern und arabischen Airlines zerrieben zu werden. Das macht das Vorgehen der Pilotengewerkschaft umso fragwürdiger. Denn weil die Lufthansa keine Chance hat, überhöhte Lohnkosten an die Kunden weiterzugeben, geht jedes Zugeständnis an die Piloten zwangsläufig zulasten anderer Mitarbeiter. Dass die Stewardess Einbußen hinnehmen muss, damit der Pilot weiter in die hoch bezahlte Rente mit 55 gehen kann, ist mit herkömmlichen Gerechtigkeitsvorstellungen ebenso wenig zu vereinbaren wie mit der ursprünglichen Idee des Streikrechts.

Auch Großgewerkschaften wie Verdi stehen vor der Frage, wie einzelne Mitarbeitergruppen bedacht werden. Meist haben sie diese beantwortet, indem sie ihre größte Klientel am besten behandelten. Häufig enthalten Tarifverträge Vereinbarungen über Sockelbeträge, durch die Geringverdiener die höchsten Lohnprozente bekommen. Doch dadurch treiben die Großorganisationen Mitarbeiter mit Schlüsselfunktionen geradezu in die Arme kleiner Spartengewerkschaften. Lokführer, Piloten, Fluglotsen und Krankenhausärzte nehmen ihre Interessen schon lange selbst in die Hand. Es ist kaum auszudenken, was in der Wirtschaft los wäre, würden sich auch Administratoren der Rechnersysteme oder die Werkfeuerwehren zu schlagkräftigen Minigewerkschaften zusammenschließen.

Piloten und Lokführer schaden sich selbst am meisten

Vieles deutet darauf hin, dass sich Piloten und Lokführer mit ihrem Verhalten selbst am meisten schaden. Denn die Politik, die sich lange gescheut hat, in die Rechte der Gewerkschaften einzugreifen, läuft sich in Rekordzeit warm. In Kürze ist bereits ein Gesetzentwurf zu erwarten; und selbst die zögerliche Kanzlerin Angela Merkel erklärt nun, angesichts der gegenwärtigen Streiks gebe es gute Gründe für ein gesetzliches Vorgehen. Das scheint angesichts des Machtmissbrauchs durch einige wenige auch geboten.

Mit einem Gesetz zur Tarifeinheit gibt es keine sich überschneidenden Tarifverträge mehr im gleichen Betrieb und auch keine Gewerkschaften, die einander überbieten. Das Schaulaufen auf dem Rücken der Unternehmen hat ein Ende, und die Funktionäre der Gewerkschaften müssen sich wieder auf die Belange ihrer Mitglieder konzentrieren anstatt auf ihre Machtansprüche.