Im ersten Wahlgang klar vorn: FPÖ-Kandidat Norbert Hofer Foto: dpa

Die Rechtspopulisten von der FPÖ feiern einen historischen Sieg in Wien. Das muss auch der Großen Koalition in Berlin zu denken geben, kommentiert Willi Reiners.

Stuttgart - Europa schaut gebannt nach Österreich, Deutschland auch. Der Rechtsruck im ersten Durchgang der Bundespräsidentenwahl ist eine politische Sensation. Nobert Hofer, der Kandidat der rechtspopulistischen FPÖ, hat der rot-schwarzen Regierung aus ÖVP und SPÖ eine historische Niederlage beigebracht. Deren Bewerber haben es nicht einmal in die Stichwahl geschafft. Dort trifft Hofer am 22. Mai nun auf den Kandidaten der Grünen, Alexander van der Bellen. Fest steht damit: Erstmals in der Geschichte der Alpenrepublik kommt das Staatsoberhaupt nicht aus den Reihen der sozialdemokratischen SPÖ oder der konservativen ÖVP.

Für beide Parteien, die über Jahrzehnte die Geschicke des Landes nach Belieben bestimmen konnten, ist die Niederlage ein Fanal. Nur auf jeweils elf Prozent kamen ihre Bewerber. Angesichts dieser Resultate fällt es schwer, noch von Volksparteien zu sprechen. Diesen Titel kann derzeit eigentlich nur die rechtspopulistische FPÖ für sich beanspruchen. Geschickt hat sie mit ihrer Europakritik und der Flüchtlingsfrage Stimmung gemacht und so landauf, landab Protestwähler eingesammelt. Ein sehr moderat auftretender Spitzenkandidat in der Person Hofers, der bei seinen Wahlkampfauftritten stets den Kümmerer gab, überzeugte offenbar bis tief ins bürgerliche Lager hinein. Roten und Schwarzen dagegen half es nicht, dass sie seit Monaten ebenfalls einen scharfen Kurs gegen Flüchtlinge verfolgen.

Auch wenn der Durchmarsch des FPÖ-Kandidaten im zweiten Wahlgang noch keinesfalls als gesichert gelten kann – Europas etablierte Parteien dürfen sich gewarnt fühlen. Die Wahl in Österreich zeigt, wie Große Koalitionen den Rechten auf Dauer in die Hände spielen können. Sie verstärken die Unzufriedenheit der Wähler mit einer politischen Klasse, die sich vor den Sorgen und Nöten der Menschen abzuschotten scheint.

Auch in Deutschland gibt es diese Unzufriedenheit mit der Wagenburgmentalität der etablierten Parteien, das zeigen die Wahlerfolge der AfD. Es ist an der Zeit, dagegen etwas zu unternehmen – und verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Mit Großen Koalition, aber auch mit schwarz-rot-grünen Notbündnissen wie in Magdeburg, die zu einer Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners verdammt sind, wird das auf Dauer kaum gelingen.