Nach dem Wahlsieg von Oppositionsführer Muhammadu Buhari (rechts) deutet sich in Nigeria ein friedlicher Machtwechsel an – der unterlegene Präsident Goodluck Jonathan räumte seine Niederlage ein und gratulierte Buhari zum Wahlerfolg Foto: dpa

Der friedliche Machtwechsel läutet für Nigeria eine neue Epoche ein. Doch nun muss sich Wahlsieger Buhari, ein früherer Militärdiktator, bewähren, kommentiert Steffen Rometsch.

Stuttgart - Nun steht also fest, wer Afrikas bevölkerungsreichstes Land und größte Volkswirtschaft in den kommenden Jahren aus der Krise steuern soll: Es ist ein 72-Jähriger, ein früherer Militärdiktator, der sich einst an die Macht putschte, der in seiner ersten Amtszeit die Menschenrechte vielfach mit Füßen getreten hat. Das alles klingt nicht gerade nach einem Hoffnungsträger. Und dennoch gibt die Wahl von Muhammadu Buhari zum neuen Präsidenten Nigerias Grund zum Optimismus. Steht damit doch der erste demokratische Regierungswechsel durch eine Oppositionspartei bevor. Und, das wichtigste: Nach allem was bisher zu erkennen ist, scheint es eine friedliche Machtübergabe zu werden.

Maßgeblichen Anteil daran hat Goodluck Jonathan. Vieles ist dem abgewählten Präsidenten in seiner zu Ende gehenden Amtszeit vorzuwerfen: Dass er dank der sprudelnden Öleinnahmen zwar über fünf Jahre ein stetes Wirtschaftswachstum vorweisen konnte, davon aber so gut wie nichts bei den Armen im Land ankam. Dass die Korruption in der Regierung stetig zu nahm. Dass die islamistischen Terroristen von Boko Haram in seiner Ägide ihre Territorium immer weiter ausweiten und festigen und auf immer brutalere Weise mehr als 14 000 Menschen töten konnten. Das alles sind Gründe, warum die Mehrheit der Wähler genug hatte vom Wirken des 57-Jährigen.

Doch gerade in der Stunde seiner größten persönlichen Niederlage beweist Goodluck Jonathan Größe. Er erweist seinem Land einen Dienst, der ihm im Rückblick einen Platz in den Geschichtsbüchern der jungen Demokratie Nigerias einbringen kann. Er hält das Land zusammen, statt es zu spalten – was für ihn in diesen Tagen ein leichtes wäre. Noch bevor die Wahlkommission offiziell das Ergebnis verkündet, gesteht er – ungeachtet aller Betrugsvorwürfe – seine Niederlage ein. Der Christ aus dem Süden gibt sich geschlagen und gratuliert seinem muslimischen Herausforderer aus dem Norden. Das verdient allerhöchsten Respekt. Hat doch Jonathans Aufruf, an seine Anhänger, das Ergebnis zu akzeptieren, vermutlich ein ähnliches Blutbad wie nach den Wahlen vor vier Jahren, das mehr als 800 Menschen das leben kostete, verhindert.

Sollte der Regierungswechsel tatsächlich friedlich verlaufen, wäre dies ein Zeichen für die fortschreitende Reife der erst 1999 wieder eingeführten Demokratie. Ein zartes Pflänzchen der Hoffnung. Ob daraus ein Baum erwachsen kann, der Früchte trägt, hängt nun maßgeblich vom Geschick seines Nachfolgers Muhammadu Buhari ab. Auf dem 72-Jährigen lasten enorme Erwartungen.

Die 178 Millionen Menschen in Nigeria erwarten von ihm Arbeitsplätze und ein besseres Leben, einen entschlossenen Kampf gegen die Terrormiliz Boko Haram und ein Ende der Selbstbedienung im Staatsapparat. Buhari versichert, sich von einem Putschisten zu einem aufrechten Demokraten gemausert zu haben. Bis zum Beweis des Gegenteils, muss man ihm das abnehmen.

„Wenn wir die Korruption nicht vernichten, dann vernichtet die Korruption Nigeria“, sagt Buhari. Dass er bereit ist, den Kampf gegen die Selbstbedienungsmentalität von Politikern aufzunehmen hat er nach seinem Putsch 1983 schon einmal bewiesen, als er rund 500 Politiker, Beamte und Geschäftsleute unter Korruptionsverdacht festnehmen ließ. Und sein größtes Pfund, das wohl auch viele Wähler dazu bewogen haben dürfte, ihm ihre Stimme zu geben: Als einer von wenigen Politikern saß er an den Fleischtöpfen, ohne sich mit vollen Händen zu bedienen. Er gilt als persönlich nicht korrupt. Dass das so bleibt, wäre den Menschen in Nigeria zu wünschen. Nur so gibt es Chancen auf ein würdiges Leben für möglichst viele.