Milchkühe auf der Wiese – Die Milchpreise sinken stetig Foto: dpa-Zentralbild

Der aktuelle Verfall der Milchpreise zeigt eines: Die Bauern müssen sich umorientieren, sagt Wirtschaftsredakteur Walther Rosenberger.

Wieder einmal darben die deutschen Milchbauern. Wieder einmal brechen sie zu Sternfahrten auf, um der Politik die Leviten zu lesen. Wieder einmal sollen Hilfen her, um strauchelnde Höfe zu retten. So wie 2009, als der Milchpreis an der 20-Cent-Marke kratzte und die Bauern ihre Produktion lieber wegschütteten, als sie den Molkereien zum Verramschen zu überlassen.

Tatsächlich ähneln sich die Situationen. Die Milchpreise haben heute ein Niveau erreicht, das für viele Landwirte nicht mehr zum Überleben reicht. Im vergangenen halben Jahr sind sie regelrecht abgestürzt – von gut 40 Cent je Liter Milch auf mancherorts gerade mal noch 25 Cent. Ein Bauer mit 75 Kühen im Stall verliert so knapp 20 000 Euro Umsatz im Jahr. Eine Belastung, die viele nicht mehr tragen können. Der Deutsche Bauernverband rechnet damit, dass bis zu 30 Prozent der Höfe in ernsthafte Schwierigkeiten kommen werden, etliche vielleicht sogar aufgeben müssen.

Verwunderlich ist die Entwicklung indes nicht. In Europa wird derzeit gemolken, was das Zeug hält. Im ersten Halbjahr 2015 sind die Milchmengen in den wichtigsten Erzeugerländern – Deutschland inklusive – wieder einmal angestiegen. In der Erwartung üppiger Geschäfte haben sich die Landwirte bereits im vergangenen Jahr mehr Kühe angeschafft. Die stehen nun im Stall und geben Milch – viel mehr als eigentlich Bedarf da ist.

Damit die Preise in so einer Situation stabil bleiben, wäre es wichtig, dass die Nachfrage anzieht. Das tut sie aber nicht. Im Gegenteil: Viele Exportmärkte, auf die die Bauern in den letzten Jahren ihre Hoffnung gesetzt haben, sind regelrecht eingebrochen. China, der Hauptimporteur von Milchpulver weltweit, hat seine Nachfrage im letzten halben Jahr zwischen 30 und knapp 60 Prozent zurückgefahren. Russland fragt aufgrund des Embargos auf EU-Lebensmittel ebenfalls fast 60 Prozent weniger Butter und Käse nach. Allein dieser Effekt hat die Erzeugerpreise für Milch um bis zu vier Cent je Liter in den Keller geschickt.

Der Milchmarkt ist seit April liberalisiert

Die jetzige Lage macht deutlich, welchen Kräften die Landwirtschaft mittlerweile unterliegt, nämlich denen des Marktes. Die Bauern dürfen das eigentlich nicht beklagen. Denn ihre Standesvertreter haben jahrelang auf eine Marktöffnung hingearbeitet. Im Glauben, die deutsche Landwirtschaft sei wettbewerbsfähiger als die vieler anderer Länder – was in manchen Bereichen der Fall ist –, hat etwa der Deutsche Bauernverband die Aufgabe der EU-weiten Produktionsquoten für Milch im vergangenen April begrüßt. Man wollte sich die Chance, in alle Welt zu liefern, nicht entgehen lassen. Wie risikoreich das war, zeigt sich jetzt, wo die Märkte am Boden liegen.

Regionale Vermarktung macht unabhängig vom Weltmarkt

Mit Sicherheit liegt in der aktuellen Preiskrise aber auch etwas Gutes. Die Bauern sind nun gezwungen umzudenken – vor allem die Kleinerzeuger, deren Belange in der großen Politik sowieso permanent zu kurz kommen. Allzu viele Optionen haben sie nicht. Die vielleicht tragfähigste ist es, auf Exporte und den Weltmarkt zu pfeifen und Butter, Joghurt und Milch regional selbst zu vermarkten. Für die Landwirte, die sich bislang um wenig mehr als das Melken kümmern mussten, ist das eine Ochsentour. Sie müssen ihre eigenen Absatzkanäle finden, Werbung machen und die Menschen auf ihre Höfe lassen, damit sich diese von der Qualität ihrer Waren überzeugen können.

Der Aufwand lohnt sich aber allemal. Wenn die Kunden den Bauern kennen, der ihre Lebensmittel herstellt, und die Güte seiner Produkte schätzen, zahlen sie dafür auch einen höheren Preis.