Ein Ford-Mitarbeiter montiert in Köln (Nordrhein-Westfalen) mit einem Robotor des Herstellers Kuka einen Stoßdämpfer Foto: dpa

Erst laut – jetzt nicht mehr hörbar: Die begründete Kritik der Bundesregierung am geplanten Verkauf des Robotik-Spezialisten Kuka an ein chinesisches Unternehmen verhallt ausgerechnet in dem Moment, in dem es ernst wird. Für die deutsche Industriepolitik verheißt das nichts Gutes, kommentiert unser Chefredakteur Christoph Reisinger.

Stuttgart - Von den dicken Backen ist nicht viel geblieben. Dabei hat Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel selten so klar Position bezogen gegen den Verkauf eines deutschen Unternehmens an chinesische Investoren wie im Fall des Automatisierungs- und Robotik-Spezialisten Kuka. Jetzt, da dessen größte deutsche Anteilseigner in auffällig hohem Tempo dem Lockruf des chinesischen Geldes folgen, geht die Bundesregierung in Deckung.

Verständlich ist beides, erst Gabriels Aufwallung, nun sein Wegschwächeln. Letzteres aber gibt mit Blick auf die deutsche Industriepolitik schwer zu denken.

Wenn sich das große Wort von den nationalen Interessen tatsächlich bemühen lässt, dann hier. Da mag die Robotik in der Gesamtbilanz der Kuka gar nicht die entscheidende Rolle spielen, so bleibt doch unterm Strich: Es droht ein Verlust von deutschem Wissensvorsprung in einem Industriebereich, dem ernst zu nehmende Stimmen das Potenzial zuschreiben, in 20 bis 30 Jahren den Autobau zu dominieren.

Gabriel erkennt, was andere nicht sehen

Offensichtlich erkennt Gabriel, was andere nicht sehen und was in der öffentlichen Kommentierung bisher so gut wie keine Rolle spielt: Wechselt Kuka in chinesischen Besitz, dann zugleich die Beteiligungen dieses Unternehmens an anderen. Darunter – um ein Beispiel zu nennen – der kleine, feine Robotik-Spezialist KBee. Der bietet Spitzentechnologie im Bereich von sogenannten intelligenten Produktionsrobotern für die elektronische Industrie, die neben und mit Menschen arbeiten und handeln. Also im Kern dessen, was Industrie 4.0 heißt. Auf einem Markt der 1000 Möglichkeiten.

Mit Kuka und ihren Töchtern wechseln zahlreiche Patente die Besitzer. Erfindungen, die nicht zuletzt durch das Geld deutscher Steuerzahler möglich gemacht oder zur industriellen Anwendung weiterentwickelt wurden. Was wiederum verdeutlicht: Gabriels Einwände sind keinesfalls aus der Luft gegriffen.

Das steht in umso schärferem Kontrast zur Stille, die sich die Regierung inzwischen auferlegt. Auch die kommt nicht von ungefähr. Gabriels Appell, europäische Unternehmen sollten dem Übernahmeangebot des chinesischen Haushaltsgeräte-Riesen Midea mit eigenen begegnen, ist schließlich ungehört verhallt. Geht es um die Handlungsfähigkeit der Regierung in Sachen Industriepolitik, hat es selten lautere Weckrufe gegeben als das dröhnende Schweigen aus der deutschen Industrie zum Appell des Ministers. Setzt Gabriel jetzt nach, werden die engen Grenzen seiner Möglichkeiten noch sichtbarer. Daher die große Stille.

Generelle Garantien gibt es nicht

Und die deutschen Wirtschaftsbosse? Vaterlandslose Gesellen? So einfach ist das nicht. Manager sind Eignern und Mitarbeitern verpflichtet. Für viele heißt das: bloß keine Signale, die Nachteile auf dem chinesischen Markt brächten. Außerdem zeigen chinesische Investoren inzwischen – wie im Fall des Aichtaler Zementpumpen-Herstellers Putzmeister – echtes Interesse an deutschen Unternehmen und nicht nur an deren Blaupausen. So lassen sich auch die Standortgarantien von Midea für Kuka lesen.

Nur, generelle Garantien gibt es nicht, dass das so bleibt. Daher gebietet der Kuka-Verkauf ein konstruktives Nachdenken darüber, inwieweit das Außenwirtschaftsrecht Deutschlands Interessen schützt. Gegebenenfalls muss nachgebessert werden. Damit es nicht bei dicken Backen bleibt, wenn es darauf ankommt.

christoph.reisinger@stuttgarter-nachrichten.de