Bald wieder die Nummer eins beim FC Bayern München: Uli Hoeneß hat alle Chancen, im November zum Präsidenten des Vereins gewählt zu werden. Foto: dpa

Ein Ex-Sträfling als Bayern-Boss? Das gefällt nicht allen. Aber es wäre ein positives Politikum, meint Chefredakteur Christoph Reisinger.

Stuttgart - Dürfen die das? Unbedingt. Die Mitglieder des eingetragenen Vereins FC Bayern München sind frei darin, im November zum Präsidenten zu wählen, wen sie wollen. Uli Hoeneß hat seine Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung verbüßt und kann kandidieren, wofür er mag.

Aber ist es auch angemessen, den Ex-Sträfling Hoeneß zum Aushängeschild des Ausnahmeclubs des deutschen Fußballs zu machen? Auch das. Es geht um ein Amt mit hoher öffentlicher Wahrnehmung, aber nicht um ein politisches Mandat. Hoeneß ist krachend mit dem Gesetz kollidiert. Zu Recht hat er dafür gebüßt. Danach muss der Weg zu einem Neuanfang offen stehen. Das ganze Strafsystem in Deutschland ist auf Wiedereingliederung angelegt. Mag sein, dass manchem stinkt, dass das auch für Hoeneß gilt. Es bleibt trotzdem richtig.

Die auffällige Anhänglichkeit, die er während seiner Lebenskrise nicht nur von seinem Verein und dessen Anhängerschaft erfahren hat, und seine voraussichtliche Wahl zum Präsidenten entspringen ja keineswegs der Billigung seiner Straftaten. Vielmehr bricht sich da die respektable Sichtweise Bahn, dass es unbillig wäre, Hoeneß zeitlebens auf sein kriminelles Vergehen zu reduzieren. Einen, der um den Verein unbestreitbare Verdienste erworben hat. Und ganz besonders einen, der vielfach tätige Anteilnahme gezeigt hat an anderen, die ihrerseits in Schwierigkeiten geraten waren. Ob es um aktive oder ehemalige Vereinsgrößen ging oder um Kriegsflüchtlinge.

Das macht die sperrige Personalie Hoeneß zum positiven Politikum: Sie setzt einen starken und fälligen Gegenpunkt zu dem Tugendfuror, der durch Deutschland tobt, wann immer es um Prominente und deren Verfehlungen geht. Gut so.

christoph.reisinger@stuttgarter-nachrichten.de