Die Olympia-Gegner haben in Hamburg ihr Ziel erreicht Foto: dpa

Das Nein zur Hamburger Olympia-Bewerbung spiegelt auch die Einstellung eines ganzen Landes wider. Immer mehr fehlt die Bereitschaft, Risiken einzugehen, findet Sportchef Gunter Barner in seinem Kommentar.

Stuttgart - So ist das manchmal im Sport: Der Ball liegt auf dem Elfmeterpunkt, der Schütze läuft an. Sicher und selbstbewusst. Doch dann landet sein Schuss in der dritten Etage. Willkommen in der Spielwarenabteilung. Das hebt nicht unbedingt die Stimmung. Und meistens darf sich der Versager noch ein paar hämische Kommentare anhören: War doch klar, der trifft doch auch sonst keinen stehenden Bus! So betrachtet ist das Nein der Hamburger zu einer Bewerbung um die Olympischen Spiele nicht mehr als eine dieser Niederlagen, die zwar weh tun, den Lauf der Welt aber nicht grundsätzlich verändern.

Andererseits vergaben die Hanseaten eine Chance, der das Team Deutschland vielleicht noch einmal nachweinen wird. Denn es ist ein Fehler, den Nutzen Olympischer Spiele lediglich daran zu messen,was sie dem Land und seinen Bürgern abfordern werden. Es gibt kein Gesetz, das Hamburg verboten hätte, die Sommerspiele kostendeckend auszurichten, Sportstätten nachhaltig zu planen und den olympischen Drang zum Größenwahn auf erträgliche Dimensionen zu reduzieren. Das Konzept an der Elbe jedenfalls enthielt gute Ideen, um ein neues Kapitel in der Olympia-Geschichte aufzuschlagen. Weg vom Gigantismus, hin zu einem Maß der Vernunft. Die Sommerspiele 2024 als Prototyp einer neuen Baureihe. Zuverlässig, umweltschonend, preisgünstig, übersichtlich, sicher – und mit der Garantie versehen, etwas Gutes zu bekommen für sein Geld. Olympia made in Germany – im besten Sinne.

Der deutsche Sport sollte über das Nein nicht lamentieren

Aber fast scheint es im zweiten Jahrzehnt nach der Jahrtausendwende, als habe uns Deutschen jener Mut und unternehmerische Geist verlassen, ohne den das Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit nicht mehr gewesen wäre als eine Thermikblase guter Konjunktur. Ein bisschen bequem geworden in den behaglichen Sesseln von Mutti reden wir zwar davon, dass sich vieles ändern muss, aber immer nur bei den anderen. Es ist kein Fehler, von der Politik klare Ansagen zu fordern. Aber wenn zaudern, zögern und abwarten zum Berliner Programm gehört, warum nehmen wir die Dinge nicht selbst in die Hand? Anpacken statt jammern, wagen statt wegducken. Ist ein Land zur Stagnation verurteilt, nur weil es öfter mal Stress mit Stuttgart 21 gibt oder beim Bau des Berliner Flughafens organisatorische Tiefflieger am Start waren?

Der Sport gilt als Synonym für Leistungs- und Risikobereitschaft. Erst recht in einer exportabhängigen Industrienation, die trotz aller aktueller Probleme davon lebt, weltweit für ihre Zielstrebigkeit und ihren Ideenreichtum geschätzt zu werden. Mit dem Hang zur Vollkasko-Mentalität ist aber noch niemand zum Olympia-Sieger geworden. Ein bisschen Risiko bleibt. Natürlich ist der Grund für das Hamburger Nein zum sportlichen Jahrhundertprojekt nicht nur die allgegenwärtige Furcht, sich beim Drehen großer Räder die Finger zu klemmen. Der internationale Sport bietet in großen Teilen eben wenig Anlass, in seine Werte bedingungslos zu vertrauen. Aber gerade das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat unter der Regie von Thomas Bach viel getan, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Das alles hat aber nicht gereicht, um Hamburg zu überzeugen.

Schade drum. Aber es hilft jetzt nicht, den Weltuntergang zu beklagen. Der deutsche Sport sollte über das Nein zu Olympia nicht lamentieren. Besser wäre es die Kräfte zu bündeln und vereint mit den Triebfedern einer zukunftsorientierten Gesellschaft baldmöglichst einen neuen Anlauf zu wagen. Denn hier wie im Fußball gilt: Nicht jeder Elfer verfehlt sein Ziel.

g.barner@stn.zgs.de