Grün-rotes Grillen: (von links) Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD), seine Frau Tülay und Kretschmanns Frau Gerlinde in Berlin bei der 50. Stallwächterparty Foto: dpa

Für die Landtagswahl verspricht das eine interessante Konstellation: Schmid und Kretschmann werden Seit’ an Seit’ marschieren – und sich gleichzeitig gegenseitig anrempeln.

Stuttgart - Viel Zeit bleibt Grün-Rot nicht mehr, um an den großen Stellschrauben im Land zu drehen. Die nächste Wahl steht zwar erst 2016 an, doch die Phase der rationalen Entscheidungen – ohne nervöse Seitenblicke auf die Demoskopen – neigt sich dem Ende zu. Den Aufschlag zur Vorwahlzeit wird schon im Oktober die CDU machen. Dann dürfen die Mitglieder entscheiden, ob sie ihren Landesvorsitzenden Thomas Strobl oder Landtagspräsident Guido Wolf ins Rennen schicken. Beide werden sich gegen Grün-Rot abgrenzen müssen – der Wahlkampf ist damit eröffnet.

Die CDU wird keinen Unterschied machen zwischen den Koalitionspartnern, sondern das Regierungslager insgesamt angreifen. Inhaltlich ist das gerechtfertigt, denn SPD und Grüne sind in den meisten Politikfragen eng beieinander. Das anfangs arg strapazierte Wort von der Liebesheirat war also gar nicht so falsch. Daraus aber zu schließen, Grün-Rot führte einen Koalitionswahlkampf, wäre ein Irrtum. SPD-Generalsekretärin Katja Mast hat dieser Tage zwar das alte Mantra wiederholt: „Wir werden nur mit den Grünen im Land gemeinsam erfolgreich sein.“ Doch sie ließ auch keinen Zweifel daran, dass 2016 ein rot-grünes Bündnis regieren soll, kein grün-rotes.

SPD-Landeschef Nils Schmid will also Winfried Kretschmann vom Thron stoßen. Ist das nicht vermessen? Ein geringeres Ziel darf er sich als Parteichef gar nicht vornehmen, denn das erwartet die SPD von ihm. Die Genossen haben das Wahlergebnis von 2011 stets als Betriebsunfall angesehen. Allerdings haben sie auch bald bemerkt, wie schwer der Stand ist neben einem Politiker wie Kretschmann, der sein Amt nicht nur ausübt, sondern auch ausfüllt. Schnell war der „kleine Nils“ geboren, der es nicht schafft, mit dem Regierungschef auf Augenhöhe zu kommen. Sogar Gerüchte wurden laut von einem geplanten Putsch gegen den vermeintlich profillosen Ressortchef im Finanz- und Wirtschaftsministerium.

Doch dieses Gegrummel ist völlig verstummt. Das liegt zum einen daran, dass die Medien Kretschmanns Gloriole als Vordenker der Grünen nicht mehr in gar so hellen Farben schildern. Vor allem in Berlin registriert man, dass dem Mann aus der Provinz entweder die Kraft fehlt oder die Lust, die Lücke zu füllen, die einige Wortführer der Parteilinken dort hinterließen. Im Südwesten wiederum lodert an vielen Stellen der Unmut gegen die grün-rote Politik – von den Gymnasien über die Polizei bis zu den Jägern. Das zieht auch Kretschmann in Mitleidenschaft. Seine Beliebtheit kontrastiert jedenfalls auffallend mit den mäßigen Umfragewerten für seine Partei. Damit schrumpft der Überlandesvater auf Normalmaß.

Schmid selbst hat darüber hinaus an Profil gewonnen. Bei der Wirtschaft, die ihn anfangs skeptisch beäugte, hat er Boden gutgemacht. Auch der Apparat seiner Ministerien läuft mittlerweile rund. Nicht zuletzt hat er mit seinem Vorschlag, bereits 2016 und nicht erst 2020 auf neue Schulden zu verzichten, die finanzpolitische Achillesferse von Grün-Rot beseitigt – jener Koalition, die angeblich nicht mit Geld umgehen kann. Quasi nebenbei überrumpelte er damit den Regierungschef, der in Sachen Sparsamkeit nun als Bremser dasteht. So einen Befreiungsschlag hat seine Partei von ihm erwartet. Für die Landtagswahl verspricht das eine interessante Konstellation: Schmid und Kretschmann werden Seit’ an Seit’ marschieren – und sich gleichzeitig gegenseitig anrempeln.

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