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Bei der Abstimmung im Bundestag gab es mehr als die erwartet mageren 22 Gegenstimmen bei der Abstimmung über Hilfen für Athen. Und das ist gut so – zumal sich auch der fassungslose Bundesfinanzminister von den jüngsten absprachewidrigen Äußerungen seines griechischen Kollegen düpiert sieht. Das Misstrauen ist so groß wie berechtigt.

Stuttgart - Eine riesige Lücke zwischen Plan und Wirklichkeit: Der CDU-Abgeordnete Wolfgang Bosbach steht mit seinem Widerstand gegen weitere Hilfen für Griechenland nicht allein. Auch der CSU-Parlamentarier Peter Gauweiler sieht eine „übergreifende Skepsis“ in der ganzen Union. Vor allem in der CSU, vom aufgesetzten Optimismus Horst Seehofers nur oberflächlich auf Kurs gebracht, befürchten viele eher neue Athener Luftbuchungen denn ehrliche Versprechen.

Deshalb gab es heute bei der Abstimmung im Bundestag auch zehn mehr als die erwartet mageren 22 Gegenstimmen bei der Abstimmung über Hilfen für Athen. Und das ist gut so – zumal sich auch der fassungslose Bundesfinanzminister von den jüngsten absprachewidrigen Äußerungen seines griechischen Kollegen düpiert sieht. Das Misstrauen ist so groß wie berechtigt. Denn noch immer begegnen die Griechen glasklaren Anforderungen mit schwammigen Ankündigungen. Ihre Pläne, die Verwaltung effizienter arbeiten zu lassen, Korruption entschiedener zu bekämpfen, Steuern effizienter einzutreiben oder den Schmuggel energischer zu bekämpfen, sind alte Hüte. Wie ernsthaft das alles bewerkstelligt werden soll und ob es dafür in der linksradikal-rechtspopulistischen Koalition eine Mehrheit geben wird – das steht nach wie vor in den Sternen. Wie die Antwort auf die Frage, wie und wann Griechenlands Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig werden soll.

Noch hält Europa nichts Konkretes in den Händen. Glaubt, hofft und bangt – gezwungenermaßen –, dass es Tsipras vielleicht doch mit seinem Reformversprechen ernst meint. Aber glauben heißt nicht wissen. Die Gegenstimmen im Bundestag müssen deshalb ein Warnsignal sein: Dass die Euro-Gruppe die Placebo-Liste der radikallinken Regierung im Spiel auf Zeit akzeptiert hat, kann und darf nicht bedeuten, dass weitere Milliarden Euro und neue Hilfspakete auf jeden Fall nach Griechenland geschickt werden. Denn so viel scheint sicher: Tsipras und sein Finanzminister Gianis Varoufakis sind weiter für böse Überraschungen gut. Ihr halbstarker Ruf nach einem Schuldenschnitt wird nicht verstummen.

Für viele Griechen ist es bitter, dass Tsipras im Wahlkampf großmäulig gegebene Versprechen nach den Brüsseler Vereinbarungen nicht so einfach wird umsetzen können. Das Aus der verhassten Vermögensteuer etwa. Oder die Einführung einer Steuerfreigrenze für Einkommen bis 12 000 Euro. Noch hoffen sie, dass raffiniert am Ende wenigstens etwas übrig bleibt – wie die Anhebung des Mindestlohns, eine höhere Grenze für steuerfreies Einkommen und Verbesserungen für Arme und Obdachlose. Liefert Tsipras nichts oder zu wenig davon, könnte Syriza ein politisches Intermezzo sein.

Noch trauen die Griechen ihrer Regierung zu, sich gegen die Brüsseler Sparauflagen zu wehren. 64 Prozent glauben sich auf gutem Weg. 81 Prozent finden die Arbeit der Regierung gut, und 86 Prozent sind sogar auf die Syriza-Regierung stolz. Aber niemand weiß, ob das so bleibt, falls beide eingestehen müssen, ihre Position grotesk überschätzt zu haben. Manolis Glezos, der 92-jährige Europaabgeordnete, ruft bereits zum offenen Widerstand auf: „Die Umbenennung der Troika in Institutionen, des Memorandums in Vereinbarung und der Gläubiger in Partner, ist so, als taufte man Fleisch in Fisch um. Schande und nochmals Schande. “

Die nächsten Wochen bleiben unruhig. Erst Ende April werden die Geldgeber entscheiden, ob Athen mit seinen Zusagen die Verpflichtungen erfüllen kann. Bis dahin liegen Stolz und Selbstüberschätzung weiter gefährlich nahe beieinander.