Stromzähler: Energie wird billiger, aber das ist nicht von langer Dauer Foto: dpa-Zentralbild

Das derzeitige Preistief bei Strom ist nicht von Dauer, sagt Wirtschaftsredakeur Walther Rosenberger. Politische Fehlentscheidungen konterkarieren die eigentlich positive Entwicklung bei den erneuerbaren Energien.

Der Juli ist ein schlechter Monat für die Energieverbraucher. Zumindest war er das jahrelang. Pünktlich zu Beginn der Ferienzeit erhöhten die großen deutschen Energieversorger ihre Strompreise. Ein halbes Jahr später folgten viele Hunderte Regionalversorger und Stadtwerke. Die Begründung der Branche lautete stets, dass der Betrieb der Kraftwerke in Deutschland stetig teurer werde und dies an die Kunden weitergegeben werden müsse. Die Brennstoffkosten – also der Preis für Kohle, Öl, Gas und Uran – waren damals das Allzweck-Argument der Branche, Preissprünge zu rechtfertigen.

Dieses Argument hat ausgedient. Weil zumindest Kohle, Öl und Uran als Säulen der Energieversorgung ausgedient haben. Sonne und Wind speisen heute an schönen Tagen wie derzeit weitaus mehr Energie in die Netze ein als alle fossilen Meiler zusammen. Und sie sind umsonst zu haben. Daher ist es auch nicht erstaunlich, dass die Strompreise in Deutschland im bisherigen Jahresverlauf zum ersten Mal seit 14 Jahren nicht gestiegen, sondern zurückgegangen sind. Um ein bis drei Prozent sind sie im ersten Halbjahr im Durchschnitt gesunken.

Verbraucherschützer sagen nun, das sei viel zu wenig. Die dämpfende Wirkung des Ökostroms auf die Preise sei in Wirklichkeit viel größer. Die Energiewirtschaft gebe die Ersparnis nur nicht an die Endkunden weiter. Da ist etwas dran. Immerhin hat die Schwemme an Energie, die Fotovoltaikanlagen und Windturbinen in die Netze drücken, zu einem drastischen Preisverfall geführt. Seit 2010 sind die Börsenpreise für Strom um rund ein Drittel eingebrochen. Und der Trend, der sich so auch bei den Einkaufspreisen der Energieversorger widerspiegelt, hält unvermindert an.

Gleichzeitig steigen die Zuschüsse für erneuerbare Energien zumindest temporär nicht mehr. Seit Jahresbeginn ist die EEG-Umlage sogar leicht rückläufig. Und eigentlich ist noch viel mehr drin. Zwischen zwei und drei Milliarden Euro zahle die Republik jährlich zu viel in den 22 Milliarden schweren Öko-Energiefördertopf ein, monieren Experten. Die Gründe sind hier politische: Zur Einläutung des Superwahljahres 2016 mit fünf Landtagswahlen wolle die Regierung die berüchtigte EEG-Umlage erst im kommenden Herbst mit einem Paukenschlag auf Talfahrt schicken, heißt es.

Wer vor diesem Hintergrund meint, die Lage für die Verbraucher würde sich demnächst quasi von selbst entspannen, irrt. Der Verbraucher muss schon selbst aktiv werden und etwa zu teuren Anbietern den Laufpass geben. Außerdem laufen politische Entscheidungen den Belangen der Stromkunden entgegen. Ende vergangener Woche haben die Koalitionsspitzen ein Fünf-Milliarden-Euro-Füllhorn über darbende Kohlestromer und Stadtwerke ausgeschüttet. Alte, klimaschädliche Braunkohlekraftwerke werden nun nicht – wie anfänglich geplant – aus dem Markt gedrängt, sondern in eine Art Stand-by-Reserve überführt, um in Notfällen Strom zu liefern. Zudem hat Bayern die kostspielige Erdverkabelung von Stromtrassen durchgesetzt.

All das wird die Netzentgelte in den kommenden Jahren erheblich steigen lassen. Schon heute machen sie knapp ein Viertel des Strompreises aus und sind aktuell der am schnellsten wachsende Kostenblock in der Stromrechnung der Haushalte. Und sie entwickeln sich regional extrem unterschiedlich. Eine neue Kostendebatte in Sachen Energiewende ist also vorprogrammiert. Bei ihr werden nicht mehr die Zuschüsse für Ökostrom im Vordergrund stehen, sondern diejenigen für neue Netze und Notfall-Meiler. Die aktuelle Entspannung an der Preisfront wird nicht von Dauer sein.