Ein unermüdlicher Kämpfer gegen Doping: Robert Harting Foto: AP

Das Vorgehen im Kampf gegen Doping spaltet den deutschen Sport. Nicht alle finden die forschen Ideen von Robert Harting gut. Doch nur gemeinsam kommen die deutschen Leichtathleten weiter, meint unsere Sportredakteurin Eva Hammel.

Stuttgart - Es war einmal in einem fernen Land, in dem die Drachen zu Hause sind und Buchstaben aussehen wie kleine Kunstwerke. Dort trafen sich vergangene Woche die besten Leichtathleten der Welt, um sich zu messen im Laufen, Werfen, Stoßen und Springen. Und dabei geschahen scheinbar märchenhafte Dinge. Da war zum Beispiel ein Sprinter mit dem Namen Justin Gatlin. Zweimal ist er schon wegen Dopings bestraft worden. Nun – das sagt er – ist er sauber unterwegs, aber viel schneller als je zuvor. Bei der WM gewann er zweimal Silber. Eine tolle Geschichte. Und es ist nicht die einzige.

Filmreif ist auch die Story von Julius Yego, dem Kuhhirten aus Kenia, der sich das Speerwerfen selbst beibrachte und Weltmeister wurde. Insgesamt holten die Ostafrikaner bei der WM 16 Medaillen – ganz ehrlich, beteuern sie. Von systematischem Doping will keiner sprechen, auch nicht von Lücken im Kontrollsystem. Natürlich nicht.

Doch in den Hexenküchen brodelt es, um mit geheimnisvollen Zaubertränken die Athleten noch schneller und stärker zu machen. Im Fokus stehen vor allem Kenia, Russland und China. Aber auch der Leichtathletik-Weltverband IAAF und die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada. Ihr Interesse, Vorwürfen schnell und entschlossen nachzugehen, hält sich offenbar in Grenzen.

Harting veröffentlich seine Blutwerte im Internet.

Die deutschen Sportler haben es aber satt, sich ständig Märchen auftischen zu lassen. Allen voran Robert Harting. Der Diskus-Olympiasieger war wegen einer Verletzung zwar nicht in Peking dabei, nutzte aber geschickt die Öffentlichkeit und meldete sich fast täglich zu Wort. In einem Video bezeichneten er und seine Mitstreiter überführte Athleten als „Monster“, er machte seine Blutwerte im Internet öffentlich und forderte eine Kenntlichmachung von Betrügern im Wettbewerb. Über Disziplinen mit zu vielen überführten Dopingsündern solle zudem am besten gar nicht mehr berichtet werden.

Umsetzen lassen wird sich von diesen Ideen wohl kaum eine, was ausnahmsweise nicht nur an der wenig transparenten Anti-Doping-Politik des Weltverbands liegt, sondern auch daran, dass Harting den Kampf gegen den Betrug angeht wie einen Diskuswettbewerb. Als Einzelkämpfer. Mit seinen Vorschlägen spaltet er die deutsche Leichtathletik. Viele sind froh, dass sich endlich mal einer gegen das System auflehnt, einer, der aufgrund seiner Erfolge in der Öffentlichkeit steht. Doch durch Hartings Vorpreschen geraten andere unter Zugzwang. Es entsteht der Verdacht, dass diejenigen, die ihre Blutwerte nicht öffentlich machen, etwas zu verbergen haben. Die Tatsache, dass es sich dabei um persönliche Daten handelt, die keinen etwas angehen, rückt in den Hintergrund. Auch die Funktionäre waren von den meisten Ideen wenig begeistert, weil sie wissen, dass Resozialisierung ein hohes gesellschaftliches Gut ist und Diskriminierung auch aus gut gemeinten Gründen keine Chance haben darf.

Nur gemeinsam kommen die Leichtathleten weiter

Alleine kämpfen Harting und seine Mitstreiter jedoch gegen Windmühlen. Seine Ein-Würfe sind in den USA oder Afrika nicht einmal kurze Meldungen wert. Bringt er außerdem weiterhin mehr Ideen als Bestleistungen, hört ihm irgendwann keiner mehr zu. Nachdem der deutsche Verbandschef Clemens Prokop in Peking nicht mehr ins Council – eine Art Regierung der IAAF – gewählt worden ist, gilt künftig aber umso mehr: Nur wenn Athleten und Funktionäre mit einer Stimme sprechen, finden sie Gehör. Der Kampf gegen Doping geht schließlich alle an.