Ist 2016 ein Jahr, das glanzvolle Aussichten bereit hält? Foto: dpa

In Deutschland haben sich 2015 die Anzeichen verdichtet, dass sich das Land in einer Phase gravierender Umbrüche befindet. Deuten Bürger, Wirtschaft und Politik die Zeichen richtig, ist dennoch Zuversicht für 2016 am Platz. Es kommentiert Chefredakteur Christoph Reisinger.

Stuttgart - Zweifellos wird 2016 ein spannendes Jahr. Aus dem Grund, dass vieles, was in den vergangenen 365 Tagen seinen Ausgang genommen oder eine dramatische Steigerung erfahren hat, schärfere Konturen annehmen wird. Und aus dem zweiten Grund, dass 2015 in Deutschland ein Jahr war, in dem sich die Anzeichen eines Epochenwechsels verdichten.

Sie sind unübersehbar. Mehr als eine Million Flüchtlinge unterwerfen den gesellschaftlichen Zusammenhalt dem härtesten Belastungstest seit der Nachkriegszeit. Umso mehr, als der Umgang mit ihnen und mit all denen, die 2016 kommen werden, politisch polarisiert, und wie. Das brandgefährliche Gemisch aus quasi EU-weiter Staatsüberschuldung, Bankenschwäche und einer Geldpolitik, die das System stabilisiert aber die Sparer ruiniert – landläufig Griechenland-Krise genannt – brodelt weiter.

Der Terror in Paris wirkt wie Hallowach. Selbst hartnäckigen Verharmlosern dämmert: Was in Frankreich passiert, kann genauso in Deutschland geschehen. Jederzeit. Überall. In Syrien hat sich Deutschland in einen extrem komplizierten Konflikt gemischt. Kein Auslandseinsatz der Bundeswehr blieb politisch schwammiger in Zielen und Perspektiven. Keiner ging in Öffentlichkeit und Bundestag glatter durch. Wer das mit der gebotenen Aufmerksamkeit registriert, kann auch hier den Epochenwechsel erkennen.

Gewaltiger Veränderungsdruck

Besonders spürbar wird er in der Wirtschaft, am Arbeitsplatz. Die Digitalisierung bringt riesige Chancen. Aber um den Preis eines gewaltigen Veränderungsdrucks für Unternehmen und Beschäftigte und der Vernichtung bislang erfolgreicher Geschäftsmodelle. Ähnliches gilt für die Globalisierung, der sich viele Branchen nicht entziehen können. Da braucht es nicht mal einen Diesel-Skandal, um die Grundfesten besonders starker Zweige der deutschen Wirtschaft zu erschüttern.

„Wir schaffen das“, hat Kanzlerin Angela Merkel mit Blick auf die Flüchtlinge gesagt – und damit den prägenden Satz des Jahres 2015. Er will 2016 eingelöst sein. Und zwar – wie die Vielfalt der Herausforderungen zeigt – in einem weit umfassenderen Sinn.

Erfreulicherweise mangelt es nicht an Ermutigung. Große Teile der Wirtschaft brummen, der Arbeitsmarkt auch. Viele Deutsche haben angesichts vieler Flüchtlinge Großes geleistet. Handfest und ohne Gedöns. Der demokratische Rechtsstaat mag schwächeln, aber er funktioniert. Ähnliches gilt für die EU: Zweifel, Risse allerorten, doch die Geschlossenheit, die sie zeitweise in der Griechenland-Krise und gegenüber russischen Machtansprüchen zeigte, hatten ihr wenige zugetraut.

Das Ziel heißt Teilhabe

In der Politik und für jeden Einzelnen geht es darum, daraus für 2016 die richtigen Schlüsse zu ziehen. Sozialpolitik lässt sich halt nicht länger so betreiben, dass vor 2013 abgeschaffte Wohltaten unbesehen wieder eingeführt werden. Das Ziel heißt Teilhabe, nicht Umverteilung. Sicherheitspolitik kommt nicht mehr ohne Orientierung aus, welche Rolle Deutschland in der Welt einnehmen will. Auch nicht ohne klare Linie zwischen Verbrechensbekämpfung und Überwachungsstaat. Klima- und Energiepolitik brauchen endlich ein Mindestmaß an innerem Zusammenhang. Wirtschaftspolitik benötigt mehr Wertschätzung für unternehmerische Leistung, Bildungspolitik die permanente Offensive. Dazu die Abkehr von der Illusion, für die geburtenschwachen Jahrgänge bedeute wenig Konkurrenz im Inland, dass es gar keine gibt.

Wer sich all dem nicht verschließt, trägt dazu bei, dass der Epochenwechsel gelingt. Sind es viele, wird 2016 für das Land und seine Bewohner ein gutes Jahr .