Winfried Kretschmann und Nils Schmid (rechts) – hier nach dem Wahlerfolg 2011 – würden gerne auch nach der Landtagswahl 2016 gemeinsam regieren. Foto: dpa

Die Grünen wollen am Wochenende ihren Regierungschef Kretschmann zum Spitzenkandidaten küren. Die Wiederwahl von Grün-Rot im März 2016 steht aber nach einer vergangenen Umfrage auf der Kippe. Denn Grüne und SPD im Land sind ein zunehmend ungleiches Gespann, kommentiert Arnold Rieger.

Stuttgart - Es sieht nach Gespann aus, zumindest nach Gleichschritt, wenn die beiden Regierungsparteien am Wochenende ihr Führungspersonal erneuern. Fast gleichzeitig wählen Grüne und SPD in Pforzheim und in Mannheim ihre Vorstände. Man muss nicht viel Fantasie haben, um sich auch einen inhaltlichen Gleichklang dieser Parteitage vorzustellen: Fünf Monate vor der Landtagswahl werden sich beide überbieten im Eigenlob über die gemeinsame Regierungsarbeit. Fast könnte man glauben, da liefen sich zwei Ebenbürtige warm für den Endspurt. Doch von der anfangs so häufig beschworenen „Augenhöhe“ ist nicht mehr viel übrig.

Im Licht der Öffentlichkeit eilen nämlich die Grünen mit ihrem populären Ministerpräsidenten weit voraus, während die SPD immer mehr hinterherhinkt. Hatte der Abstand zwischen beiden im Wahlergebnis 2011 gerade mal 1,1 Prozentpunkte betragen, so ist diese Kluft in der jüngsten Umfrage auf neun Prozentpunkte angewachsen. Die Grünen liegen mit 26 Prozent deutlich über ihrem Wahlergebnis, während die Genossen mit 17 Prozent in der öffentlichen Meinung so schlecht dastehen wie niemals zuvor. Auch Optimisten unter den SPD-Abgeordneten fragen sich allmählich, ob es 2016 noch reicht für ein Mandat oder ob sie sich nicht nach einem bürgerlichen Beruf umschauen sollten.

In der Partei macht sich auch deshalb Frust breit, weil sich die Leistungsbilanz ihrer Regierungsmitglieder in diesen Werten nicht widerspiegelt. Man muss den politischen Kurs nicht teilen, um festzustellen: Handwerklich machen die SPD-Minister ihre Sache ordentlich. Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid hat sogar beachtliche persönliche Werte vorzuweisen. Und selbst an der schwierigsten Front, der Schulpolitik, herrscht mittlerweile Ruhe. Doch solche Strichlisten führt der Wähler nicht. Er kennt meist nicht einmal die handelnden Personen. Wen er aber kennt, das ist Ministerpräsident Winfried Kretschmann: Auf ihn allein gründet das grüne Hoch.

Kretschmann Popularität ist ungebrochen

Die Hoffnung der Genossen, dass dessen Popularität auf die Regierung insgesamt abfärbt, also auch auf sie selbst, hat offensichtlich getrogen. Die Partei muss einsehen, dass ihr Koalitionswahlkampf auf das Konto der Grünen einzahlt, nicht aber auf ihr eigenes. Von ihrem (leise) formulierte Anspruch, den Ministerpräsidenten zu stellen, ist die Südwest-SPD jedenfalls weiter entfernt denn je. Geradezu tragisch für sie ist, dass es kaum eine Alternative zu diesem Schulterschluss mit den Grünen gibt. Denn inhaltlich sind die Unterschiede nur marginal. Und selbst wenn es den Genossen gelänge, sich stellenweise abzugrenzen: Dann liefen sie Gefahr, Kretschmann zu beschädigen. Und Koalitionsstreit schlüge beiden Parteien ins Kontor. Die Genossen gehen also mit Fesseln in den Endspurt.

Den Südwest-Grünen kann dies nicht gleichgültig sein, denn auch ein noch so beliebter Ministerpräsident benötigt für seine Neuwahl eine Mandatsmehrheit. Hält die SPD nicht Schritt, ist die gesamte grün-rote Veranstaltung zu Ende. Nur wenn es den Grünen gelingt, in der politischen Mitte Stimmen von der CDU zu sich herüberzuziehen, anstatt die SPD zu schädigen, kommen sie gemeinsam ins Ziel. Das wiederum gelingt am ehesten Kretschmann. Die SPD kann also nur stillhalten und dulden, will sie wieder in eine Wunschkoalition mit den Grünen. Ein Trost mag ihr sein, dass auch die Berliner Parteifreunde das bleierne Umfragetief kennen – mögen sie auch noch so viele sozialdemokratische Kernforderungen durchsetzen. Wie lange halten die Genossen das aus? Gut möglich, dass sie ihren Frust am Wochenende an ihrem Vorsitzenden Schmid auslassen.

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