Daimler-Chef Dieter Zetsche Foto: dpa

Schon einmal ging es dem Daimler-Konzern sehr gut – vielleicht sogar zu gut. Doch aus den Fehlern von damals hat Daimler gelernt, meint unser Kommentator Klaus Köster.

Stuttgart - Seit Jahren geht es mit dem Stuttgarter Daimler-Konzern bergauf, und derzeit deutet wenig darauf hin, dass sich daran bald etwas ändert. Getrieben durch immer neue Modelle steigen die Verkaufszahlen, und noch schneller steigen die Erträge. Das ist keineswegs selbstverständlich, denn Daimler schöpft nicht nur den Rahm seiner bisherigen Modellstrategie ab, sondern investiert weiter massiv in neue Modelle, in das autonome Fahren und in die Digitalisierung.

Um die Leistung des Managements zu beurteilen, reichen dessen eigene Ergebnisse aber nicht aus. Wichtige Hinweise liefert auch der Vergleich mit der Konkurrenz. Doch auch hier muss sich die Führungsriege nicht verstecken. Bei der Rentabilität, wo Daimler jahrelang Platz drei abonniert hatte, waren die Stuttgarter in den ersten neun Monaten bereits Maß der Dinge. Wo früher Lücken waren, sind heute die Wachstumsmotoren: Beim Geschäft in China löst sich Daimler komplett vom schwächelnden Gesamtmarkt, bei Kompaktwagen hat man inzwischen eine ganze Modellfamilie zusammen, die sowohl den Absatzzahlen als auch dem Markenimage guttut. Beim teilautonomen Fahren erbringt der Konzern mit der neuen E-Klasse Pionierleistungen. Und mit Mobilitätsdienstleistungen wie Car2go oder dem Vernetzungsportal Moovel hat sich Daimler auch bei Zukunftstrends wie dem Carsharing und der vernetzten Mobilität eine gute Startposition verschafft. Es wird inzwischen viel geerntet, aber auch weiter kräftig gesät.

Früher hielt sich der Konzern für unangreifbar – das machte ihn verletzlich

Die Gefahr, wie früher in eine gefährliche Selbstgefälligkeit zu verfallen, scheint gebannt. Als der Konzern in den 90er Jahren anfing, sich für unangreifbar zu halten, begann ein langer Abstieg. Probleme mit dem Elchtest wurden einst auf das mangelnde Fahrvermögen des Testfahrers zurückgeführt, gravierende Elektronikmängel der E-Klasse so lange als Einzelfälle abgetan, bis die Chance verstrichen war, die Mängel rufschonend zu beseitigen. Solche Überheblichkeit ist heute kaum mehr zu erwarten. Konzernchef Dieter Zetsche sendet die richtige Botschaft aus, wonach es zwar schwierig sei, an die Spitze zu gelangen, aber noch schwieriger, vorn zu bleiben.

Dies gilt umso mehr, als auch das aktuelle Geschäft nicht frei von Störfaktoren ist. Die geopolitische Lage ist unsicher wie lange nicht, und auch bei Daimler selbst gibt es Risikofaktoren. Die Vorwürfe der Deutschen Umwelthilfe, die Daimler – gestützt auf seriöse Messungen – vorwerfen, dass eines seiner Modelle im echten Betrieb bis zu 25-mal so viel schädliche Stickoxide ausstößt wie im Testbetrieb, bringen ausgerechnet besonders saubere Dieselfahrzeuge der Stuttgarter in eine Diskussion, die nicht zum Anspruch der Technologieführerschaft passt. Der Anschein, mit juristisch wohl korrekten, für die Öffentlichkeit aber verstörenden Angaben zur Umweltfreundlichkeit zu hantieren, darf nicht allzu lange im Raum stehen bleiben.

Auch bei der Elektromobilität geht es nicht recht voran – und das, obwohl Daimler mit dem schon wieder eingestellten Bau von Batteriezellen und dem elektrischen Smart einst zu den Vorreitern gehörte. Offenbar war Daimler hier zu früh dran. Doch der Konzern wartet immerhin nicht ab, sondern setzt mit dem Plug-in-Hybrid einstweilen auf eine Technologie, mit der sich die Wartezeit auf leistungsfähigere Batterien und eine bessere Infrastruktur überbrücken lässt. In früheren Zeiten ließ der Konzern ganze Marktsegmente unbesetzt, weil man sich gar nicht vorstellen konnte, dass andere dort Erfolg haben könnten. Heute ist er überall vertreten, wo die Musik spielt oder spielen könnte. Daimler hat seine Lektion gelernt, und Zetsche sorgt dafür, dass sie so schnell nicht in Vergessenheit gerät.

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