Der Popsänger und Castingshow-Sieger Daniel Küblböck wird nach seinem tragischen Verschwinden zum Hass-Opfer im Netz. Foto: dpa

Nach dem rätselhaften Verschwinden von Daniel Küblböck von einem Kreuzfahrtschiff wird im Netz Hohn und Spott über den Sänger ausgeschüttet. Unsere Autorin sagt klar: Solche Hasskommentare im Internet sind nicht nur verabscheuungswürdig, gegen sie muss auch juristisch vorgegangen werden.

Stuttgart - „An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern“. Dieses Zitat von Erich Kästner kann man momentan auf einem Plakat am Staatstheater in Dresden lesen – als Aktion der Dresdner Theater, Museen und Orchester gegen Rechtsradikalismus. Ein Bild davon postete eine Instagram-Nutzerin anlässlich des Falls, bei dem der Sänger Daniel Küblböck am Sonntag von Bord eines Kreuzfahrtschiffes vor Neufundland gefallen war.

Was hat nun eine Protestaktion gegen Rechtsradikalismus mit einem fast vergessenen Castingshow-Star zu tun, der sich allem Anschein nach das Leben nehmen wollte? Viel mehr als es zunächst scheint. Stichwort: Hate Speech, also Hassrede. Dies ist im Grundsatz ein vom Europarat definierter, politischer Begriff, der „alle Ausdrucksformen, die Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus oder andere Formen auf Intoleranz beruhendem Hass verbreiten (...)“ beschreibt. Während Rechtsradikale das Netz längst als Werkzeug für Diffamierung entdeckt haben, eskaliert im Netz nun ein verbaler Kulturkampf. Die Feindbilder sind altbekannt: Juden, Linke, Feministinnen, Schwarze, Muslime, Homosexuelle und Flüchtlinge.

Hier kommt Daniel Küblböck (33) ins Spiel. Der Sänger, der 2003 als Teilnehmer der Sendung „Deutschland sucht den Superstar“ bekannt wurde, ist das, was man einen gefallenen Star nennt, auch wenn das Wort Star wohl zu hoch gegriffen ist.

An Stars tobt sich die anonyme Masse aus, genauso wie an anderen Randgruppen. Sie lyncht diejenigen verbal, die unsere Mediengesellschaft mit produziert: junge Menschen, denen vorgegaukelt wird mithilfe einer Casting-Sendung reich und berühmt werden zu können. Als polarisierender Paradiesvogel in Frauenkleidern bekannt und belächelt, wurde Küblböck an seiner Schauspielschule offenbar gemobbt. Nach dem tragischen Vorfall auf dem Kreuzfahrtschiff hacken nun diejenigen auf ihn ein, die sich nicht zu schade sind, nach einem Unglück Hohn und Spott über das Opfer auszuschütten.

Laut Medienforschern herrscht in Deutschland eine kulturell verwurzelte Promi-Skepsis. Stars haben nicht die Vorbildfunktion wie in den USA. Das zeigt auch das Beispiel Heidi Klum. In Deutschland wird sie kritisch beäugt und im Netz teilweise heftig diffamiert, in ihrer Wahlheimat USA ist sie ein gefeierter Star.

Was die Angelegenheit bei (Möchtegern-)Stars besonders heikel macht: Künstlerpersönlichkeiten (und solche, die sich dafür halten) sind oft hochsensible Charaktere, die mit Kritik schlecht umgehen können, von Hass ganz zu schweigen. Alkohol- und Drogenmissbrauch ist keine Seltenheit – was aktuell der Fall des Ex-Radrennprofis Jan Ullrich zeigt. Auch einige tragische Todesfälle oder Suizide gab es bereits.

In Zeiten, in denen der Hass ungefiltert im Netz wabern kann, ist das besonders gefährlich. In Deutschland geht das Bundeskriminalamt verstärkt gegen Hasskommentare im Internet vor. Anfang des Jahres trat das Netzwerkdurchsetzungsgesetz in Kraft. Anbieter sozialer Netzwerke sind verpflichtet, „offensichtlich rechtswidrige Inhalte“ innerhalb von 24 Stunden nach einer Beschwerde zu entfernen.

Wir sollten uns also alle mehr beschweren, auch wenn es uns nicht direkt betrifft. Schließlich wird bei Hasskommentaren grundsätzlich gegen Artikel Eins des Grundgesetzes verstoßen: die Würde des Menschen ist unantastbar.

simone.hoehn@stzn.de