Könnte bei Aufhebung der Altersgrenze noch mal antreten: Stuttgarts OB Fritz Kuhn Foto: dpa

Wenn die Menschen immer älter werden und immer länger aktiv bleiben, dann müssen sie auch das Recht haben, eine Gemeinde zu führen, findet Redakteur Arnold Rieger.  

Stuttgart - Das Verfallsdatum ist eine segensreiche Erfindung. Es sagt dem Patienten, ab wann seine Medizin nicht mehr wirkt oder ihm gar schadet. Bei Bürgermeistern ist der Hinweis hingegen fehl am Platz. Die Vorschrift, dass 65-Jährige nicht mehr kandidieren dürfen, stammt aus einer Zeit, da die Obrigkeit dem Volk das Urteilsvermögen schlicht nicht zutraute. Und geradezu grotesk wirkt die Altersgrenze, betrachtet man sie im demografischen Licht: Wenn die Menschen immer älter werden und immer länger aktiv bleiben, dann müssen sie auch das Recht haben, eine Gemeinde zu führen.

Aha!, werden helle Köpfe nun rufen und kombinieren: Haben die Grünen also einen Weg gefunden, um dem Stuttgarter OB Fritz Kuhn eine zweite Amtszeit zu ermöglichen! Ja, diese Chance hätte er, wenn Gemeindeordnung und Beamtenrecht geändert würden. Auch der Ulmer OB Ivo Gönner (SPD), derzeit 62 und ein allseits beliebter Rathauschef, könnte 2015 noch einmal für eine volle Amtszeit antreten. Doch ob Kuhn und Gönner das beabsichtigen, wissen sie wahrscheinlich selbst noch nicht. Der frühere Ministerpräsident Teufel – seine Partei wollte ihn übrigens aus Altersgründen loswerden – hatte für solche Fälle den Spruch parat: „Man soll Gottes Gnade und dem Wähler keine Grenzen setzen.“

Grenzen setzen sich die Rathauschefs in der Regel selbst. Denn nur wenige werden den Knochenjob ohne geregelten Feierabend und Wochenende bis an die Bahre ausüben wollen. Seit Jahren beklagen die Parteien, dass sie kaum mehr qualifizierte Bewerber finden, denn gemessen an der Verantwortung und an der Belastung ist die Bezahlung lau. Der Wegfall der Altersgrenze könnte also in dem einen oder anderen Ort auch die Kandidatennot lindern.