Ein Soldat der Bundeswehr überwacht mit seinem Schützenpanzer Marder im Hintergrund die aufständische Region Chara Daree. Foto: dpa

Wen interessieren die Sorgen der Soldatinnen und Soldaten? Ein Kommentar von Franz Feyder zur Akzeptanz der Bundeswehr in der deutschen Gesellschaft.

Stuttgart - Wieder so eine Geschichte? Ja, wieder so eine Geschichte! Bundestagsabgeordnete schicken jeden fünften deutschen Soldaten in den Einsatz, obwohl der an einer psychischen Störung leidet. Schicken ihn also in Missionen, in denen die jungen Frauen und Männer sich mit Aufständischen herumschlagen, Minen räumen und Kameraden Mullkompressen in die blutenden Wunden stopfen, die Granat- und Bombensplitter gerissen haben. Diese Soldaten, so belegt es jetzt eine Studie der Technischen Universität Dresden, tragen ein vier- bis sechsmal höheres Risiko, mit einem Belastungstrauma, einer ernsthaften seelischen Erkrankung, aus Afghanistan, dem Kosovo, aus Mali oder dem Sudan nach Hause zu kommen.

Mit endlosen Bildschleifen im Kopf, in denen sie Frauen sterben, Kinder bluten oder Kameraden weinen sehen. 24 Stunden am Tag. Sieben Tage die Woche. Immer auf dem Sprung, sich sogar in Deutschlands Einkaufsmeilen in Hauseingänge zu schmeißen und Deckung zu suchen – bloß weil unvermittelt ein Motorrad fehl zündet. Und sich der Knall wie der eines Schusses oder der einer abgefeuerten Granate anhört. Flashback nennen Psychiater so etwas wissenschaftlich. Die Hölle nennt es, wer es je durchlebt hat.

Bislang hat das niemanden sonderlich interessiert. Selbst die Politiker nicht, die seit 1993 wie selbstverständlich die Bundeswehr in die Welt hinausschicken, um außenpolitisch auf der globalen Bühne wahrgenommen zu werden. Dass der Bundestag erst 2008, also 15 Jahre nach der ersten Auslandsmission in Somalia auf die Idee kam, wissenschaftlich untersuchen zu lassen, wen er da in die lebensgefährlichen Missionen schickt, ist bezeichnend: 20 Jahre nach dem Rückzug der Bundeswehr aus Beledweyne liegt jetzt ein Ergebnis vor, das vor allem zwei Dinge klarstellt.

Erstens: Die jungen Frauen und Männer in Uniform sind weniger vorgeschädigt als der Durchschnitt der Deutschen. Einer Studie des Robert-Koch-Instituts zufolge leidet jeder dritte Bundesbürger unter mindestens einer psychischen Störung. Zweitens: Niemand in der Bundeswehr hat sich bislang damit auseinandergesetzt, wie die Soldaten auszufiltern sind, die mit einer psychischen Vorerkrankung zu den Streitkräften kommen. Die deutsche Armee, von ihren Verteidigungsministern seit Bestehen von einer Reform in die nächste gejagt, ohne wirklich irgendwo anzukommen, hatte schlicht keine Zeit für dieses Thema. Nicht zuletzt, weil es bis vor wenigen Jahren nicht einmal eine funktionierende Rettungskette gab, um verwundete Soldaten vom Schlachtfeld zu holen.

Dass sich künftig Abgeordnete und die Gesellschaft für die Nöte der Soldaten interessieren, Mängel sogar abstellen, ist kaum zu erwarten. Wen interessieren schon die Auswirkungen der Mandate, die bei den Abstimmungen im Bundestag längst zur Finger-Hebeübung geworden sind? Und die dennoch Gefechte nach sich ziehen wie das am Karfreitag 2010 im afghanischen Char Darreh, bei dem drei deutsche Soldaten starben? Unter absurden Bedingungen, übrigens: Am Ende des Scharmützels hatten die Soldaten kaum noch Munition. Die politisch Verantwortlichen hatten ihnen Kampfpanzer verweigert – die Munition anderer Einsatzmittel aber durchschlug die Lehmwände der Gehöfte nicht, in denen sich die Aufständischen verschanzt hatten.

Interessant ist die Bundeswehr vielerorts nur noch, wenn Kasernen geschlossen werden und damit Kaufkraft verloren geht. Ansonsten haben die Soldatinnen und Soldaten still zu sein während der Einsätze, in die sie die Bundesbürger und deren Volksvertreter schicken. In diesen Missionen haben sie – das wird kommen – dann auch noch möglichst still zu sterben.