Rumänische Arbeiter auf einer Baustelle Foto: dpa

Am Beschönigen der Probleme, die Armutsflüchtlinge bereiten, beteiligt sich nun auch das Institut der Wirtschaft, sagt Rainer Wehaus.

Zuwanderung ist gut, Flüchtlinge sind arm dran. Seit Monaten versucht Deutschlands politische Führung, diese Botschaft in die Köpfe der Menschen zu hämmern. Der Bundespräsident sprach darüber zu Weihnachten, die Kanzlerin zum Jahreswechsel, fast alle anderen Politiker schlossen sich dem an. Der gute Zuwanderer ist das Thema Nummer eins.

Fast täglich werden Zahlen vorgelegt, die beweisen sollen, dass alles gar nicht so schlimm ist, wie es viele Bürger empfinden. Von Problemen ist nicht die Rede, nur von Chancen – als wären alle auf einem Seminar für Führungskräfte gewesen. Nun ist nichts dagegen zu sagen, wenn die politische Elite versucht, die Bürger zu motivieren. Unschön ist aber, wenn sich die Bürger dabei angelogen fühlen, wenn die Wirklichkeit erkennbar nicht den Behauptungen entspricht. Dies lässt Zweifel an der Kompetenz der politischen Klasse wachsen. Oder um im Vokabular der Führungskräfte zu bleiben: Wer die Probleme nicht einmal benennt, hat auch keine Chance, sie zu lösen.

Nun redet auch noch die Wirtschaft die Welt schön. Am Montag hat das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) die kühne These verbreitet, die sogenannte Armutszuwanderung aus Bulgarien und Rumänien sei wegen rückläufiger Geburtenzahlen unbedingt nötig und mache Deutschland in Wirklichkeit reich. Die neuen Zuwanderer seien überdurchschnittlich gebildet und seltener arbeitslos als jene, die schon hier seien.

Man wundert sich und fragt : Wo sind denn diese Zuwanderer, von der das Institut redet? In Mannheim jedenfalls nicht. Nach Angaben der Stadt können von den 10 000 Bulgaren und Rumänen, die dort leben, gerade einmal 1400 ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten. Der Rest schlägt sich so durch und bekommt staatliche Hilfe wie Hartz IV und Kindergeld. Diese Hilfe gibt es sofort, wenn jemand 200 Euro monatlich verdient. Dazu reicht die Bescheinigung eines Praktikumsplatzes, andere Nachweise sind nicht erforderlich. Wer keine 200 Euro verdient, hat derzeit erst nach drei Monaten Anspruch auf staatliche Hilfe. Aber wenn die Zeichen nicht trügen, wird der Europäische Gerichtshof diese Frist bald kippen. Dann wird die Bundesagentur für Arbeit sofort und für alle Zuwanderer aus EU-Staaten zahlen müssen.

Deutschland zieht Ausländer an. Aber eben nicht die hoch qualifizierten, wie behauptet wird. Die entsprechenden Programme gehen weitgehend ins Leere. Deutschland ist attraktiv wegen seiner vergleichsweise hohen und großzügig gewährten Sozialleistungen. Das zeigt sich bei den Asylbewerbern, deren Zahl sich seit Erhöhung der Bargeldzahlungen Mitte 2012 demnächst verdreifacht haben wird. Und es zeigt sich bei der Zuwanderung aus EU-Staaten. Natürlich sind unter den Zuwanderern auch billige und willige Arbeitskräfte. Wohl deshalb applaudiert das IW auch. Die Wirtschaft kann nie genug billige Arbeitskräfte haben. Die Sozialausgaben, die für jene aufzubringen sind, die nicht zum Zug kommen oder bald wieder arbeitslos werden, interessieren die Firmen nur am Rande.

Wenn Deutschland wirklich gute Zuwanderer haben will, muss es seine Sozialleistungen senken und begrenzen. In klassischen Einwanderungsländern wie Amerika oder Kanada muss man sich erst Ansprüche erarbeiten, bevor man etwas bekommt. Nur dann kommen die gut Qualifizierten, nur dann wird Zuwanderung auch von der einheimischen Bevölkerung mitgetragen. Und noch ein positiver Effekt: Würde die deutsche Politik in dem Sinne tätig werden, könnte sie sich künftig auch alle ihre beschönigenden Reden sparen.

r.wehaus@stn.zgs.de