Europas Wirtschaft erholt sich – Portugal verlässt Rettungsschirm. Foto: dpa

Es ist noch nicht vorbei. Portugals Schritt unter dem Euro-Rettungsschirm hervorzutreten bedeutet einen schönen Etappensieg im Kampf gegen Europas Schulden- und Bankenkrise. Mehr aber nicht, findet Kommentator Christoph Reisinger.

Um mit dem Positiven anzufangen: Nach Irland ist Portugal bereits das zweite Euro-Land, das dem drohenden Staatsbankrott entronnen ist. Eine klarere Bestätigung für die Mutigen in der Europäischen Union lässt sich für den Moment kaum denken. Bisher ist ihre Rechnung aufgegangen, mit aberwitzig hohen Garantiesummen der Europäischen Zentralbank – und im Fall Portugals mit einem 78-Milliarden-Euro-Rettungspaket – allen Spekulationen gegen die schlimmsten Wackelkandidaten der Eurozone entgegenzutreten. Also mit aller Macht. Und auch mit maximalen Risiken.

So große Erleichterung es schafft, dass Staats- und Bankenanleihen aus Portugal auf dem freien Finanzmarkt wieder zu annehmbaren Bedingungen Käufer finden, so gilt dennoch: Kaum eine der Ursachen für diese Maximalrisiken, für die Deutschland mehr als alle anderen geradesteht, ist ausgeräumt. 

Das gilt vor allem für den schlimmsten Krisentreiber, die Finanzpolitik der meisten EU-Staaten. Frankreich scheitert abermals an der Auflage für alle Euro-Länder, die Höhe der neu aufgenommenen Schulden nicht über drei Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung des Landes steigen zu lassen. Für Spanien gilt dasselbe – in noch wesentlich dramatischerer Form. Ob die Regierung Renzi Italien einen Weg aus dem Schuldenchaos zu weisen vermag, steht in den Sternen. Wer sich in Italien bewegt, begegnet einer wirtschaftlichen Depression, die sich immer tiefer in die Gesellschaft frisst.

Der Sparwille der Gesellschaft wird strapaziert
 

Überhaupt, die Gesellschaft und ihr Sparwillen: Der ist in den Ländern besonders arg strapaziert, die wie Portugal Jahrzehnte extrem weit über die eigenen Verhältnisse gelebt haben. Hier sind die jüngsten Erfolge gegen die Schulden- und Eurokrise erkauft mit tiefen Einschnitten für viele Bürger und mit sozialem Absturz. Groß ist daher die Gefahr, dass der Sparwille rasch erlahmt, der Erfolg nicht von Dauer ist und kurz der Weg zurück in die Megaverschuldung. 

Wer bei diesem Thema eilfertig auf die Südeuropäer zeigt, macht sich was vor. In Deutschland liegt es ja keineswegs nur an Politikern, dass die Regierung selbst in der aktuellen Phase überbordender Steuereinnahmen keine nennenswerte Schuldentilgung hinbekommt. Oder dass Landesregierungen wie die baden-württembergische sogar noch neue Schuldenberge aufhäufen. Dieses Versagen kommt nicht zuletzt von überzogenen Bürgererwartungen. Von Sozialausgaben, die völlig aus dem Ruder gelaufen sind. Von der Überfrachtung des Staates mit allzu vielen Aufgaben, die seine im Grunde nicht sind. 

Zu den besonders schwer kalkulierbaren Risiken zählt: Wer wollte genau vorhersagen, wie heftig sich Staaten und Banken außerhalb Europas in Zukunft für den Euro in Bresche werfen? China, der weltweit größte nicht europäische Euro-Besitzer, ist gerade auf den Höhepunkten der Krise zu einem wertvollen Stabilitätsanker geworden. Nur, die chinesische Geduld ist so wenig garantiert wie die des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Der hat sich unter Missachtung seiner eigenen Regeln am Rettungspaket für Portugal mit sage und schreibe einem Drittel beteiligt. Aber das nachvollziehbare Gemaule der Brasilianer über so viel Hilfe für „die reichen Europäer“ und das deutlich geringere IWF-Engagement in späteren Rettungspaketen weisen die Richtung: Die Gefahr ist keineswegs gebannt.

c.reisinger@stn.zgs.de