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Darf ein Bundestrainer schwitzen, Nägel kauen und sich in die Hose greifen? Im Prinzip ja, er sollte sich halt nur nicht erwischen lassen.

Stuttgart - Nach allem, was wir über den Fußball wissen, bezieht er große Teile seiner Beliebtheit aus der Annahme, man könne dort Dinge tun und sagen, für die man im sonstigen Leben eine gute Rechtsschutzversicherung abschließen sollte.

Nun gilt es aber, eine Causa zu erörtern, die im Wortsinn tiefer reicht und Fragen des guten Geschmacks tangiert: Darf der oberste Repräsentant deutscher Fußballkultur ein profanes T-Shirt tragen, das seinem schweren Amt den irreführenden Nimbus der Freizeittätigkeit verleiht? Das obendrein den Blick frei gibt auf Schwitzflecken unter seinen Achseln, die so groß sind wie der Max-Eyth-See? Ist es womöglich erlaubt, dass der Reiseleiter der DFB-Betriebsmannschaft einem Biber gleich an seinen Nägeln kaut? Zählt es zu den typischen Handbewegung eines Bundes-Fußballlehrers, sich erst an dem Teil seines Körpers zu kratzen, das hinten unterm Rücken hängt, um nach der anschließenden Riechprobe jene Morgenluft zu wittern, die es braucht, um gegen die Ukraine den Sack zuzumachen?

Die innere Mitte

Die Vermutung interessierter Beobachter, dass so der deutsche Teamgeist riecht, ist aus der Luft gegriffen. Zu erörtern wäre vielmehr, ob womöglich nur seine innere Mitte findet, wer sich richtend in die Hose greift? Und hat Oliver Kahn, der weise Schlussmann in Lederhosen, nicht schon vor Jahren die These aufgestellt, dass man Eier braucht, um zu siegen?

Solche Fragen, die jeden intellektuellen Diskurs über den Sinn der Dreierabwehrkette als geistigen Flachpass entlarven, spielen den öffnenden Ball in die Tiefe des philosophischen Raumes. Und womöglich ist es kein Zufall, dass der Streit um Für und Wider guten Benehmens vorwiegend durchs Internet stürmt. Nirgendwo sonst stellen sich derart eindrucksvoll die Fragen menschlichen Zusammenlebens. Ist Joachim Löw vielleicht doch nur einer wie wir?

Es ist ja nicht das erste Mal, dass der Bank-Angestellte aus Schönau gewisse Auffälligkeiten zeigte. Schon während der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 bohrte er in der Nase und stärkte durch anschließendes Knabbern des Globuli ähnelnden Fundes sein Immunsystem. Wiewohl davon auszugehen ist, dass auch ihn seine Erziehungsberechtigten einst mit dem pädagogisch wertvollen Hinweis belehrten: „Schreib’ eine Ansichtskarte, wenn du oben bist!“ Ein frommer Wunsch.Wo die Räume zugestellt werden, der Gegner kompakt auftritt und sich auch außerhalb der Coaching-Zone alles schrecklich gepresst abspielt, nimmt es kein Wunder, dass der wichtigste Vertreter der Randgruppe außerhalb des Spielfelds zu befreienden Übersprungs-Handlungen neigt. Nervöses Wippen, Füße scharren und wildes Fuchteln mit den Extremitäten gelten als erste äußere Anzeichen.

Der Tunneleffekt

Joachim Löws Symptome zeugen dagegen von deutlich erhöhter Anspannung und überbordendem Adrenalinhaushalt. Für den so genannten Tunneleffekt, der den Patienten unmittelbar vor Beginn eines wichtigen Spiels in eine Art Trance versetzt und oft erst mit Schlusspfiff endet, spricht die Annahme, bei all dem unbeobachtet zu sein. Dabei sehen die Kameras der Fernsehstationen sogar, wenn im Strafraum eine Mikrobe fällt.

Dass Freiherr Adolph Franz Friedrich Ludwig Knigge nie Bundestrainer wurde, ist so betrachtet logisch, wäre aber auch schon deshalb unmöglich gewesen, weil sein Name in keine vernünftige Überschrift eines Sportteils passt. Löw hat die deutsche Elf zum Weltmeister gemacht. Jetzt soll der EM-Titel folgen. Sein Name passt. Und dass er sich mal kratzt, wen juckt’s?