Turnschuhe zu Dirndl – nach Meinung von Axel Munz, dem Chef des Trachtenherstellers Angermaier, geht das gar nicht: „Trampelig sieht’s aus und verbietet sich aus traditionelelr Sicht.“ Foto: Lichtgut/Piechowski

Fürs Cannstatter Volksfest laufen sich jetzt viele warm. Unser Kolumnist Uwe Bogen berichtet von steigenden Hotelpreisen, zwickenden Lederhosen und Turnschuhen, die nach Ansicht des Angermaier-Chefs „trampelig“ zum Dirndl aussehen.

Stuttgart - Der Ursprung des Wasens – die Historiker unter uns wissen es – liegt in einer Hungersnot. Ein gigantischer Vulkanausbruch auf Indonesien hat 1815 das Klima verändert, in Deutschland regnete es nur noch. Getreide verschimmelte, Kartoffeln verfaulten, nichts wollte reifen. Ernteausfälle, Armut, ein Jahr ohne Sommer – all dies brachte König Wilhelm I. vor bald 200 Jahren dazu, die Landwirtschaft zu reformieren und ein Volksfest zu feiern.

Heutzutage ist das Hungern bei uns unbekannt. Und was für Sorgen haben die Menschen nun? Dem Gegenteil des Hungerns verdanken die Leute ihre Furcht, nicht mehr ins Dirndl oder in die Lederhose reinzukommen.

Besuche im Fitness-Studio, damit die Lederhose passt

Bei einem Fest fiel mir kürzlich ein Bekannter auf, der von einem prall gefüllten Büfett nur Salatblättchen herausfischte. Was ist los, fragte ich ihn, bist du krank? Aber nein, antwortete der feierfreudige Mann, in fünf Wochen beginne das Volksfest. Für seine superknackige Lederhose sei er nicht mehr knackig genug. Er passe nicht rein.

Frühe Besuche im Fitness-Studio um sieben, abends keine Kohlhydrate, dafür Gymnastik – die Vorbereitungen fürs große Fest der Schwaben, das am 22. September startet, sind im vollen Gang!

Es gibt noch mehr Indizien dafür, dass wir uns beim Warmlaufen fürs Bierstemmen bereits in der heißen, nicht mehr in der warmen Phase befinden. Die Kaufhäuser bringen ihre Sonderverkaufsstände für Tracht in Stellung. Hotels verdoppeln ihre Zimmerpreise für die Wasenzeit. Wer im Internet Tische im Bierzelt reservieren will (bei Hans-Peter Grandl geht dies ab einer Anzahl von fünf Personen und mit Mindestverzehr bei einem Bierpreis von 10,30 Euro) stößt meist nur auf Rot (ausverkauft) oder Gelb (nur wenige Tische) an den Tagen Donnerstag bis Samstag. Grün ist allenfalls der Sonntag, der Montag oder Dienstag. Und genau für diese Tage flattern bei den VIPs gerade die Logeneinladungen ein. Kabarettist Christoph Sonntag etwa bittet zum „Wasenkonzil“ bei Göckelsmaier, Verlegerin Karin Endress zur „Topmagazin“-Party beim Grandl oder Sandra Vogelmann zur „Pressenacht“ bei Sonja Merz. So viele „Dates“ lassen sich kaum „saven“.

Für Angermaier-Chef Axel Munz ein „absolutes No-go“

Der Fassanstich auf dem Wasen ist um zwei Tage früher dran als die Bundestagswahl. Die Anzahl der Schläge, die der grüne OB Fritz Kuhn benötigt, dürfte nicht wahlentscheidend sein. Fehler bei der Wahlentscheidung werden aber nicht nur an den Urnen gemacht. Turnschuhe zum Dirndl hat man zuletzt beim Frühlingsfest oft gesehen. Für Axel Munz, den Chef des Branchenprimus Angermaier, ist diese Kombinationswahl nicht nur aus traditioneller Sicht „ein absolutes No-go“, wie er mir am Montag gesagt hat: „Das passt auch stylistisch nicht und sieht trampelig aus.“

Spannt das Dirndl? Zwickt die Lederhose? Hätte der sparsam am Büfett agierende Bekannte einen guten Zwickel, hätte er sein Problem vielleicht nicht. Ein Zwickel ist ein keilförmiger Stoff- oder Lederstreifen, der ins Rückteil einer Lederhose eingesetzt wird, um die Bundweite zu erweitern oder zu verringern. Billigtracht aus Fernost ist meist zwickellos.

„Hulapalu“ war der Wasenhit von 2016

Lederhosen, empfehlen Trachtenhändler, müssen beim Kauf eng anliegen. Bequem dürfen sie da noch nicht sein. Denn mit der Zeit weiten die sich von allein. Schlapprig am Gesäß will sich doch keiner präsentieren. Also, wem die Krachlederne nach der Baucherweiterung nicht mehr passt, weiß nun, was er in den nächsten Wochen bis zum Fassanstich zu tun hat. Jeden Tag vor dem Schlafengehen in die Bierzelthose steigen und herumhampeln damit! Das macht sie weit und passend. Dazu grölt man am besten die Wasenhits von 2016 – also atemlos „Hulapalu“ und schenkt dem Schatzi ein Foto.

Herrlich, die irre Zeit geht wieder los!