Facebook hat diesen Beitrag mit den Ladybirds von 1976 auf der Seite des „Stuttgart-Albums“ gelöscht. Foto: Screen Shot

Die Damen spielten im Silchersaal, auf der kleinsten Bühne der Liederhalle. Sie trugen Gitarren und sonst nicht viel mehr. Das alte Oben-Ohne-Foto vom Presseball, das am Freitag in unserer Zeitung zu sehen war, ist 40 Jahre später noch für Aufregung gut: Facebook hat es auf der Seite des Geschichtsprojekts „Stuttgart-Album“ gelöscht.

Stuttgart - Gut, es war wenig charmant, was einem bekannten Stuttgarter Strafverteidiger zu dem Foto aus dem Jahr 1976 mit der Oben-Ohne-Band Lady Birds einfiel. Würden die Damen heute noch mal mit ähnlichen Kostümen beim Landespresseball auftreten, schrieb er bei Facebook, müssten sie statt Gitarren „Kontrabässe verwenden“. Sein bissiger Kommentar war freilich nicht der Grund dafür, warum Facebook am Freitagvormittag das Foto auf der Seite unseres Geschichtsprojekts Stuttgart-Album entfernt hat. Die historische Aufnahme mit den beiden halbnackten Gitarristinnen verstößt demnach gegen die „Facebook-Gemeinschaftsstandards“, teilte das Unternehmen dem Stadtblog mit, dem weit über 12 000 Fans folgen. Die drei Administratoren des Stuttgart-Albums mussten sich mit der Löschung des Presseball-Beitrags einverstanden erklären – erst dann durften sie zurück zum sozialen Netzwerk.

Zensurvorwürfe sind für Facebook nicht neu

Zensur ausgerechnet beim Ball der Medien? Greift Facebook in die Pressefreiheit ein? „Hätte die Redaktion ein Hakenkreuz auf die Brustwarzen der Ladybirds gemacht, wäre es kein Problem gewesen“, schreibt Philipp Deeg bei Facebook.

Zensurvorwürfe sind für den US-Konzern nicht neu, der bei Millionen von Menschen die zentrale Nachrichtenquelle ist. Von Willkür ist oft die Rede, wenn sich Facebook-Nutzer über verschwundene Postings wundern. Selbst Fotos von Kunstwerken mit Nackten sind entfernt worden. Den Umgang mit unverhüllten Körpern erklärt das Unternehmen so: „Wir entfernen Fotos von Personen, auf denen Genitalien oder vollständig entblößte Pobacken zu sehen sind. Außerdem beschränken wir Bilder mit weiblichen Brüsten, wenn darauf Brustwarzen zu sehen sind.“ Fotos von Frauen beim Stillen oder Vernarbungen nach Brustamputationen seien hingegen erlaubt.

Lässt sich Facebook austricksen?

Eine Software sucht laut Facebook automatisch nach verbotenen Inhalten. Rasch hat das Kontrollsystem das Stuttgart-Album ausgebremst, während Sandra Vogelmann, eine der Organisatoren des Landespresseballs, den Link zum StN-Artikel mit dem Foto der Oben-Ohne-Ladys unbeanstandet im sozialen Netzwerk teilen konnte. „Hammer!“, schrieb sie dazu, „das Bild habe ich im Archiv gesucht.“

Lässt sich Facebook austricksen? Na klar! Nach der Löschung des ersten Beitrags hat das Stuttgart-Album am Freitag genau denselben Zeitungsbeitrag über die Historie des Presseballs gepostet, allerdings nun mit einem anderen Einstiegsbild. Diesmal stand der jungeGünther Oettinger (CDU) und der ebenso junge Rezzo Schlauch (Grüne) auf einem Presseballfoto der 1980er samt ihren Begleiterinnen an erster, bei Facebook sichtbaren Stelle der Bildergalerie, während die freizügigen Gitarristinnen an die zweite Stelle rückten. Dieser Beitrag blieb!

Oettingers Leber

Brustwarzen stehen auf dem Facebook-Index, Oetti aber nicht. Obwohl es zum Schutz des Digital-Kommissars manchmal besser wäre, das Netzwerk würde dessen Beiträge entfernen. Oettingers „Schlitzaugen“-Sprüche sind in jedem Fall jugendgefährdender als Lady Birds von 1976.

Hätte der Politiker seine Entschuldigung auf Englisch bei den momentan in Stuttgart stattfindenden Deutschen Meisterschaften im Poetry Slam vorgetragen, er wäre garantiert ins Finale gekommen. „It was not a speach read out“, sagte Oettinger, „but frei von der Leber, as we say in German.“

Bei dem feierfreudigen Ex-Ministerpräsidenten wundert es nicht, dass die Leber etwas angeschlagen ist. Halt dei Gosch, as we say in Swabian, lieber Kommissar. Und wenn Sie weiter Ihre Leber für sich denken lassen, Herr Oettinger, kann der Volksmund eines Tages auch noch sagen: „Hättschd dei Gosch g’halte, hätt’ dich die EU b’halte.“

Beim Slam-Wettstreit, der am Samstag mit dem Team-Finale endet, sind die Poeten „politischer denn je“, wie Organisator Nikita Gorbunov sagt. Viele hätten klar Position gegen die AfD bezogen – und Witze über Oetti kommen auch immer gut. Großes Lob gab es für das Stuttgarter Publikum, das die Lokalpatrioten in den Abstimmungen nie bevorzugt habe. Wir sind fair, unsere Gitarristinnen können näggdedich spielen. Und Oettingers Leber ist uns nicht wurschd.