Begehrtes T-Shirt beim Online-Versand www.emp.de Foto: emp

Immer mehr kehren aus dem Urlaub zurück. Von seiner Ferienlektüre erzählt manch einer euphorischer als von seinen Ferienerlebnissen. Unser Kolumnist Uwe Bogen weiß nun, wie man sich mit seinen Mängeln anfreundet. Motto: „Einen Scheiß muss ich!“

Stuttgart - Wie war das Wetter? Das Essen? Das Meer? Wie weit war’s vom Hotel an den Strand? Gab’s WLAN?

Meist ist der Urlaub viel zu früh zu Ende. Wenn der Reisende zurück in den Alltag kehrt, muss er sich auf Fragen wie diese einstellen. Die Hälfte der Ferien sind vorbei. Bevor die einen losfahren, sind die anderen schon wieder daheim. Und worüber wird gesprochen? Stell mir bitte keine Urlaubsfragen, hat ein Freund nach seiner Rückkehr von mir verlangt. So kurz nach den Ferien wisse er noch gar nicht, ob es ihm gefallen hat. Obendrein habe er keine Lust, Plattitüden von sich zu geben.

Gesprächiger wurde er, als es um seine Strandlektüre ging. „Das Seelenleben der Tiere“, den Bestseller des Försters Peter Wohlleben, habe er verschlungen. Nun erzählte er mir von fürsorglichen Eichhörnchen, von Schweinen, die sich im Spiegel erkennen, und von Raben, die sich mit ihren Namen rufen. Wir Menschen sollten nicht mal daran denken, wir seien was Besseres. Freundlicher sollten wir mit Tieren, unseren Mitgeschöpfen, umgehen.

Wie wahr: Wenn jemand eine Reise tut, dann kann er was erzählen.

Doch was erzählen die Heimkehrer in diesem Sommer? Am liebsten von Büchern, die sie im Urlaub gelesen haben! Ist mir in diesem Sommer mehrfach passiert.

Soll man die Symptome googeln?

Vor meinem Urlaub habe ich nun eine lange Liste von Büchern, die ich auf Anraten meiner Freunde dringend mitnehmen muss. Was Leichtes muss es sein, weil man am Strand in erster Linie chillen muss. Krimis sind für viele deshalb ein Muss im Reisegepäck. Denn im Urlaub müssen wir der Zeit Zeit geben. Wir müssen uns erholen. Und irgendwann müssen wir zur Arbeit zurück – da müssen wir alle durch!

Was man alles muss! Der letzte Absatz war voll damit. In jedem Satz ein Muss oder ein Müssen. Muss nicht sein, hat mir ein weiterer Freund erklärt, der ebenfalls von seinem schönsten Ferienerlebnis berichtete. Bei ihm war’s die Lektüre eines Buchs mit einem Titel, den der Freund bei unserem Treffen gleich mehrfach ausgerufen hat: „Einen Scheiß muss ich!“

In seinem Urlaub haben er und seine Mitreisenden den Buchtitel mantramäßig aufgesagt: „Einen Scheiß muss ich!“ Weniger Wein trinken? Öfter joggen? Morgens im Urlaub früh aufstehen, wenn die Sonne scheint? „Einen Scheiß muss ich!“

Den Strafzettel zahlen? Die Symptome googeln? Den Jakobsweg laufen? Italienisch lernen? „Einen Scheiß muss ich!“

Man sieht: Der Spruch lässt sich gut in jedes Leben einbauen.

Parodie auf amerikanische Ratgeber

Immer mehr Menschen, so klagt Comedy-Autor Tommy Jaud , der als fiktiver Sean Brummel mit „Einen Scheiß muss ich“ eine Parodie auf amerikanische Ratgeber geschrieben hat, leiden unter maßlosem Müssen. Seine Kernthese: „Die Leute sterben nicht, weil sie zu wenig Licht bekommen. Sie sterben, weil sie zu wenig Spaß haben.“

Weniger müssen müssen – aber nein, das ist nicht der Werbeslogan für Tommy Jauds Buch, sondern für Prostagut, für ein Mittel gegen häufigen Harndrang.

Der Drang zum Nichtmüssen scheint groß. Es gibt bereits T-Shirts mit der Aufschrift „Einen Scheiß muss ich“. Und auch auf Tassen und Buttons steht’s.

Werden diese vier Wörter zum Ausruf einer Generation, die sich von angeblichen Pflichten freimachen und sich mit ihren Mängeln anfreunden will?

Ein Muss darf durchaus sein: Ist immer gut, wenn man lachen muss.

Dieser Generation bin ich entwachsen, weshalb für mich schon eher gilt: Ich bin zu alt für diesen Scheiß!

Mehr Kolumnen von Uwe Bogen gibt’s in dem Buch „Goht’s no?“ im Belser-Verlag.