Will auf keinen Fall, dass das Land Mehrkosten bei Stuttgart 21 mit zahlt: Minister Winfried Hermann, Grüne Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Bei den Koalitionsverhandlungen zwischen Grünen und CDU im Landtag ist der Streit um die Übernahme von Mehrkosten beim Bahnprojekt Stuttgart 21 entbrannt.

Stuttgart - Das Bahnprojekt Stuttgart 21 wird erneut, wie bei Grünen und SPD vor fünf Jahren, zur Zerreißprobe in den Koalitionsverhandlungen, nun aber zwischen Grünen und Christdemokraten. „Die CDU hält sich an den Finanzierungsvertrag mit der Bahn aus dem Jahr 2009, darin steht nichts von einem Kostendeckel“, sagte die CDU-Verkehrsexpertin Nicole Razavi unserer Zeitung. Razavi gehört der Verkehrs-Arbeitsgruppe an. Im Vertrag ist in einer Sprechklausel davon die Rede, dass sich die Parteien beraten müssen.

Razavi führt „juristische Gründe“ an, die dafür sprächen, den Beschluss der alten Landesregierung nicht wieder aufzulegen. Die hatte es ausgeschlossen, sich über die im Finanzierungsvertrag festgeschrieben Kosten von 4,5 Milliarden Euro weiter zu beteiligen. Das Land zahlt 930 Millionen Euro an Stuttgart 21, das allerdings Anfang 2013 finanziell völlig aus dem Ruder lief. Die Bahn musste zwei Milliarden auf 6,5 Milliarden Euro nachlegen. Der DB-Aufsichtsrat verpflichtete den Vorstandsvorsitzenden Rüdiger Grube dazu, das Land zu verklagen, wenn es eine weitergehende Zahlung ablehne. Seitdem belauern sich beide Seiten, jede Projektverzögerung wird notiert und später sicher zugeordnet, und die Verzögerungen sind erheblich. Erst vor einer Woche hat Projektchef Manfred Leger angedeutet, dass ein Eidechsenvorkommen – allerdings an der Neubaustrecke – die Terminpläne mit der Inbetriebnahme Ende 2021 reißen könnte.

Hermann: Wir zahlen nicht mehr

Der Grünen-Verkehrsminister Winfried Hermann hat am Donnerstag bei einer Grünen-Kreismitgliederversammlung in Bad Cannstatt seien Position klar gemacht: „Der Kostendeckel gilt, wir zahlen nicht mehr, das ist unsere klare Aussage.“ Die CDU habe das bisher nicht verstanden, sondern gehe „eher in die Richtung, der Bahn mehr zu zahlen“. Das Thema sei ein „sehr heikler Punkt“, die Bahn erwarte, dass das Land mehr als eine Milliarde Euro der Mehrkosten übernehme. Das Verhältnis zwischen Razavi und Hermann gilt als zerrüttet. Zu Razavi sagte der Minister: „In unserer Arbeitsgruppe war Frau R. drin, die mich persönlich in den letzten fünf Jahren kritisiert hat. Ich habe in den letzten Wochen weit mehr Empathie und Toleranz gebraucht als in den letzten fünf Jahren“. Das strittige Thema Stuttgart 21 muss nach der Uneinigkeit in der Arbeitsgruppe kommende Woche in der größeren Koalitionsrunde beraten werden, so Hermann. Letztlich müssten Ministerpräsident Winfried Kretschmann und der CDU-Verhandlungsführer Thomas Strobl das Streitthema ausräumen.

Kuhn will Pläne für Bahnanschluss im Neubaugebiet

Stuttgarts OB Fritz Kuhn und Wolfgang Arnold, Vorstandssprecher der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) hatten in der Vorwoche Pläne für eine Stichstrecke vom geplanten S-Bahn-Halt Mittnachtstraße an den Trog des neuen Tiefbahnhofs ins Gespräch gebracht. Dort könnten S-Bahnen und Regionalzüge halten. Das kommt einer Kombi-Lösung von Durchgangs- und Kopfbahnhof nahe, die der Schlichter Heiner Geißler zuletzt vertreten hatte. „Eine Kombi-Lösung ist bei Stuttgart 21 ausgeschlossen“, sagt Razavi, sie widerspreche der Volksabstimmung.

Bei der Veranstaltung am Freitag sagte Kuhn, der auf den alten Gleisanlagen vorgesehene neue Stadtteil mit mindestens 7000 Wohnungen solle an den Schienenverkehr angebunden werden. Dazu solle die Gäubahn „mit einem Strang nach Feuerbach und mit einem zum Hauptbahnhof führen“ und dort in Tieflage halten. Kuhn: „Wir wollen sicherstellen, dass der Nahverkehr Erweiterungsmöglichkeiten hat.“

Der Grünen-Umweltminister Franz Untersteller, der in Stuttgart wie Hermann erstmals direkt in den Landtag gewählt wurde, beschrieb die Spielräume der neuen Koalition so: „Die nächsten fünf Jahre werden nicht so bequem wie die letzten, wir müssen sparen, und zwar eher drei als zwei Milliarden Euro.“